Nach § 13 Abs. 1 Satz 1 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG) haben Arbeitnehmer das Recht, sich bei den zuständigen Stellen des Betriebs oder des Unternehmens zu beschweren, wenn sie sich vom Arbeitgeber, Vorgesetzten, anderen Beschäftigten oder Dritten diskriminiert fühlen. Bislang wurde in der juristischen Literatur überwiegend angenommen, dass der Arbeitgeber mitbestimmungsfrei entscheiden könne, wer Beschwerdestelle im Sinne von § 13 Abs. 1 Satz 1 AGG sein soll. Mit Beschluss vom 23.10.2006 – 21 BV 690/06 – hat das Arbeitsgericht Frankfurt dann ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG im Zusammenhang mit Regelungen zum Verfahren bei der Behandlung von Beschwerden durch die Beschwerdestelle als nicht offensichtlich ausgeschlossen erachtet. Mit aktuellem Beschluss vom 17.04.2007 – 3 TaBV 6/07 – ist das LAG Hamburg sogar noch weiter gegangen: Ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG soll danach auch im Hinblick auf die personelle Besetzung und die organisatorische Anbindung der Beschwerdestelle jedenfalls nicht offensichtlich ausgeschlossen sein.
Praxistipp
Da es sich bei dem Mitbestimmungsrecht aus § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG um ein erzwingbares Mitbestimmungsrecht handelt, kann der Betriebsrat über die Anrufung der Einigungsstelle auch den Abschluss einer Betriebsvereinbarung zur Regelung des Beschwerdeverfahrens erzwingen, selbst wenn ein Arbeitgeber keine Veranlassung sieht, das Verfahren zur Behandlung von Beschwerden im Einzelnen zu regeln. Zur Vermeidung eines kostenaufwändigen Einigungsstellenverfahrens sollte daher spätestens dann eine entsprechende Betriebsvereinbarung mit dem Betriebsrat abgeschlossen werden, wenn dieser signalisiert, das Beschwerdeverfahren regeln zu wollen.
Einzelheiten
Nachdem im August 2006 das AGG in Kraft getreten war, richtete eines der größten deutschen Unternehmen in der Versicherungsbranche eine zentrale Beschwerdestelle ein. Die Leitung der Beschwerdestelle wurde einem Mitarbeiter aus der Abteilung „Personalservice“ übertragen. Obgleich er ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG für sich reklamierte, war der Gesamtbetriebsrat bei der Einrichtung der zentralen Beschwerdestelle nicht beteiligt worden. Der Gesamtbetriebsrat rief daraufhin gegenüber dem Arbeitgeber die Einigungsstelle an und leitete ein Beschlussverfahren mit dem Ziel der Bestellung eines Einigungsstellenvorsitzenden durch das Arbeitsgericht ein.
Im Rahmen eines solchen gerichtlichen Beschlussverfahrens ist vom Arbeitsgericht nur zu prüfen, ob die Einigungsstelle offensichtlich unzuständig ist. Dies ist der Fall, wenn offensichtlich keine erzwingbaren Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates bestehen.
Nachdem das Arbeitsgericht Hamburg den Antrag des Gesamtbetriebsrats noch mit der Begründung zurückgewiesen hatte, eine mitbestimmungspflichtige Angelegenheit liege wegen schlichten Gesetzesvollzugs des § 13 AGG nicht vor, gab das LAG Hamburg der gegen diese Entscheidung gerichteten Beschwerde des Gesamtbetriebsrats statt.
Zur Begründung führte das LAG Hamburg aus, durch die Festlegung der personellen Besetzung der Beschwerdestelle werde geregelt, an wen sich die Beschäftigten mit ihrer Beschwerde nach dem AGG zu richten hätten. Hierdurch komme der Einrichtung der Beschwerdestelle eine verhaltenssteuernde Wirkung im Zusammenhang mit Beschwerden der Arbeitnehmer zu, die nicht dem (mitbestimmungsfreien) Arbeitsverhalten, sondern dem (mitbestimmungspflichtigen) Ordnungsverhalten zuzurechnen sei. Durch die Festlegung der personellen Besetzung der Beschwerdestelle sei daher der Mitbestimmungstatbestand des § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG betroffen. Darüber hinaus sei auch nicht offensichtlich ausgeschlossen, dass dem Gesamtbetriebsrat hinsichtlich der Ausgestaltung des Beschwerdeverfahrens – z. B. bei Regelungen über die Form der Beschwerde, den Ablauf der Beschwerdeprüfung und die Modalitäten der Bescheidung der Beschwerde – ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG zustehe.