Das LAG Nürnberg hat mit Urteil vom 01.09.2015 (Az. 7 Sa 592/14) entschieden, dass ein arbeitsunfähig erkrankter Arbeitnehmer grundsätzlich nicht verpflichtet ist, an einem vom Arbeitgeber angeordneten Personalgespräch teilzunehmen.
Sachverhalt
Die Klägerin war über einen Zeitraum von drei Monaten arbeitsunfähig erkrankt. In dieser Zeit wurde sie mehrfach von der Beklagten zu Personalgesprächen eingeladen, zu denen die Klägerin jeweils nicht erschien. Die Beklagte sprach aufgrund der Nichtteilnahme zunächst Abmahnungen und daraufhin eine ordentliche verhaltensbedingte Kündigung aus.
Entscheidung des Gerichts
Das LAG Nürnberg gibt der Kündigungsschutzklage statt und bestätigt damit die Entscheidung der Vorinstanz. Die Klägerin sei nicht verpflichtet gewesen, während der bestehenden Arbeitsunfähigkeit an einem Personalgespräch teilzunehmen. Dabei sei es unerheblich, ob die Klägerin aufgrund ihres Gesundheitszustandes überhaupt in der Lage gewesen wäre, an dem Personalgespräch teilzunehmen. Eine teilweise Arbeitsunfähigkeit bestehe nach der Rechtsprechung des BAG gerade nicht (BAG, Urteil vom 23.06.2009 – 2 AZR 606/08).
Die Entscheidung des LAG Nürnberg ist noch nicht rechtskräftig, die Revision ist beim BAG anhängig.
Kontext und Zusatzinformationen
Eine Verpflichtung zur Teilnahme an jedwedem Personalgespräch mit dem Arbeitgeber besteht nach § 106 GewO gerade nicht. Stattdessen ist der Arbeitnehmer nur zu solchen Gesprächen verpflichtet, die sich „auf Inhalt, Ort und Arbeitsleistung“ sowie auf „Ordnung und Verhalten im Betrieb“ beziehen. Ein Arbeitnehmer kann die Teilnahme aber verweigern, wenn das Gespräch keinen Bezug zu den vorgenannten Themen hat. Insbesondere besteht nach der Rechtsprechung des BAG keine Verpflichtung des Arbeitnehmers zur Teilnahme an einem Personalgespräch, in dem es um den Bestand des Arbeitsverhältnisses geht.
Entgegen einem weit verbreiteten Irrglauben gibt es kein generelles Recht des Arbeitnehmers darauf, zu einem Personalgespräch mit dem Arbeitgeber ein Mitglied des Betriebsrats hinzuziehen. Die Fälle, in denen ein solches Hinzuziehungsrecht für den Arbeitnehmer ausnahmsweise besteht, sind gesetzlich abschließend geregelt (§§ 81 Abs. 4 S. 3, 82 Abs. 2 S. 2, 83 Abs. 1 S. 2 BetrVG). Der Betriebsrat wiederum hat ebenfalls keinen eigenen Anspruch darauf, an Personalgesprächen von Arbeitnehmern teilzunehmen. Ungeachtet dessen kann es je nach Einzelfall taktisch ratsam sein, ein Betriebsratsmitglied zum Personalgespräch hinzu zu bitten.
Schließlich und erst Recht besteht auch kein Anspruch des Arbeitnehmers darauf, zu einem Personalgespräch mit dem Arbeitgeber nur in Begleitung eines Rechtsanwalts zu erscheinen.
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