Hersteller und „Inverkehrbringer“ von Elektrogeräten kennen die Problematik. Zur Sicherstellung einer ordnungsgemäßen Entsorgung müssen Elektro- und Elektronikgeräte eindeutige Angaben zum Hersteller der Produkte aufweisen (§ 7 ElektroG). Entsprechende Vorgaben werden sich im neuen ElektroG, das in Kürze in Kraft treten wird, in § 9 ElektroG (neu) wiederfinden.
Die genauen Anforderungen an die Kennzeichnungspflicht sowie die Rechtsfolgen im Falle einer Verletzung dieser Pflichten waren lange unklar. Insbesondere stellte sich die Frage, ob § 7 Satz 1 ElektroG auch eine Anspruchsgrundlage darstellt, die Mitbewerbern ein Vorgehen im Falle von Rechtsverletzungen ermöglicht. Dies wäre nur dann der Fall, wenn § 7 Satz 1 ElektroG als „Marktverhaltensregelung“ im Sinne der Bestimmungen des Wettbewerbsrechts anzusehen wäre (§ 4 Nr. 11 UWG). In diesem Fall würde sich ein Verstoß gegen § 7 Satz 1 ElektroG gleichzeitig als Wettbewerbsverletzung mit den Folgen eines eigenständigen Anspruchs der Mitbewerber darstellen. Wäre dies nicht der Fall, wäre § 7 Satz 1 ElektroG – mangels Bußgeldbewehrung – in der heute gültigen Fassung ein „zahnloser Tiger“.
Ein neues Urteil des BGH lässt nun keine Zweifel mehr daran bestehen, dass der Kennzeichnungspflicht aus § 7 Satz 1 ElektroG auch wettbewerbsrechtliche Bedeutung zukommt (BGH, Urteil vom 09.07.2015 – I ZR 224/13). § 7 Satz 1 ElektroG ist als Marktverhaltensregelung im Sinne von § 4 Nr. 11 UWG anzusehen. Wie der BGH in seinem Urteil ausführt, ergibt sich diese Wertung allerdings nicht aus der gesetzlichen Zielsetzung des Umweltschutzes, die letztlich als „wettbewerbsneutral“ zu bewerten sei. § 7 Satz 1 ElektroG verfolge neben dem Umweltschutz vielmehr auch den Schutz von Mitbewerbern „vor einer Überlastung mit höheren Entsorgungskosten infolge nicht gekennzeichneter Elektrogeräte durch andere Marktteilnehmer“ (wie vor). Als Folge der Charakterisierung von § 7 Satz 1 ElektroG als Marktverhaltensregelung stehen Mitbewerbern im Falle der Verletzung der Kennzeichnungspflichten nach § 7 Satz 1 ElektroG sowohl Unterlassungs-, als auch Schadenersatzansprüche gegen den Rechtsverletzer zu. Da Unterlassungsansprüche im Wege des Einstweiligen Verfügungsverfahrens durchgesetzt werden können, drohen sehr kurzfristige Vertriebsverbote, die einen erheblichen wirtschaftlichen Schaden mit sich bringen können. Dem Antrag auf Erlass einer Einst-weiligen Verfügung geht zumeist eine (kostenpflichtige) Abmahnung und Aufforderung zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungsverpflichtungserklärung voraus. Die rechtlichen und wirtschaftlichen Auswirkungen eines Verstoßes gegen § 7 Satz 1 ElektroG können somit beträchtlich sein. Das neue ElektroG bringt insoweit für die kennzeichnungspflichtigen Hersteller keine Besserungen mit sich. Im Gegenteil: Die Verletzung der Kennzeichnungspflicht des § 7 Satz 1 ElektroG (zukünftig § 9 Abs. 1 ElektroG) kann zukünftig auch mit einem Bußgeld bis zu EUR 100.000,- geahndet werden.
Der BGH trifft in seiner Entscheidung darüber hinaus eine weitere wichtige Feststellung zur erforderlichen „Dauerhaftigkeit“ der Kennzeichnung. Hiernach ist eine Kennzeichnung nur dann als dauerhaft anzusehen, wenn diese „ein Mindestmaß an Unzerstörbarkeit aufweist“ und „nicht leicht zu entfernen ist“ (wie vor). Mit dieser Begründung erachtet der BGH das Anbringen von Klebefähnchen an Kopfhörern für unzureichend. Diese Wertung liegt im Zusammenhang mit dem Produkt „Kopfhörer“ zwar besonders nahe, da die Klebefähnchen den Nutzer beim Gebrauch der Kopfhörer stören und deshalb eine Entfernung durch den Verwender zu erwarten ist. Letztlich wird es jedoch nicht darauf ankommen, ob sich der Nutzer zu einer Entfernung des Klebefähnchens herausgefordert sieht oder nicht. Maßgeblich ist nur, ob die Kennzeichnung objektiv leicht zu entfernen ist. Vor diesem Hintergrund dürften Klebefähnchen die Anforderungen einer ausreichende Kennzeichnung nach § 7 Satz 1 ElektroG grundsätzlich nicht erfüllen. Es drohen die vorstehend genannten Unterlassungs- und Schadensersatzansprüche.
Zur Vermeidung einer Rechtsverletzung sollte somit nicht nur auf das „Ob“, sondern insbesondere auch auf die Art und Weise der Kennzeichnung geachtet werden.