Was lange währt.... Der Arbeitsentwurf eines Kreislaufwirtschaftsgesetzes liegt vor. Das Gesetz dient der Umsetzung der novellierten europäischen Abfallrahmenrichtlinie, die die Mitgliedstaaten der Europäischen Union bis zum 12. Dezember 2010 in nationales Recht überführen müssen.
Wir haben das gesamte Regelungspaket, welches unter anderem das bisherige Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz ablöst, für Sie durchgesehen. Erste Einschätzung: Das Gesetz wird die Abfall- und Entsorgungswirtschaft nachhaltig beeinflussen. Dies gilt ungeachtet des Umstandes, dass das Wort Abfall im Namen des neuen Kreislaufwirtschaftsgesetzes nicht mehr enthalten ist. Unsere Prognose zu den Gesetzesauswirkungen erscheint uns im Übrigen nach den Ergebnissen unseres abfallrechtlichen und abfallwirtschaftlichen Schnelltests nicht besonders gewagt.
Bevor wir zu den Inhalten kommen, sei eine Vorbemerkung gestattet. Die Entwurfsverfasser haben ihre Ankündigung wahrgemacht, Altbestände des heute noch geltenden Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes soweit wie möglich zu erhalten. Die Regelungen zur Umsetzung der novellierten Abfallrahmenrichtlinie wurden gewissermaßen in den Altbestand eingebettet. Das Vorgehen ist konservativ im Sinne von bewahrend, setzt aber nach unserer Einschätzung auch durchaus neue Spannungsfelder unter Strom. Dies geschieht mehrfach insbesondere an den Stellen, wo alte und neue Vorschriften miteinander in Wechselwirkung treten. Die (alten) Verwertungsvorgaben in den §§ 7 und 8 der Entwurfsfassung im Zusammenspiel mit der (neuen) Regelung zur Abfallhierarchie in § 6 sind ein Beispiel hierfür.
Wir möchten im Folgenden weder mit Frau Heidenreich noch mit Herrn Reich-Ranicki in Konkurrenz treten. Trotzdem wollen wir Literaturempfehlungen aussprechen. An den nachfolgend benannten Stellen der Entwurfsfassung sollten Sie lesen. Die Lektüre lohnt sich:
- § 1. Zweck des Gesetzes. Die Sicherung der umweltverträglichen Bewirtschaftung von Abfällen wird zum Gesetzesziel.
- § 2 Abs. 2. Ein Katalog von Ausnahmen. Was fällt nicht unter das Gesetz. Die Liste ist im Vergleich zum alten Recht deutlich länger und differenzierter. Sie bringt einige Neuerungen, zum Beispiel bei Böden.
- § 3. Begriffsbestimmungen. Mittlerweile 28 (!) Einzelpositionen in 28 Absätzen, was der Umsetzung europäischen Rechts geschuldet ist. Neu sind beispielsweise die Definitionen der Begriffe Sammler, Beförderer, Händler und Makler. Der genannte Personenkreis wird dann an mehreren Stellen des Gesetzes auch mit durchaus neuen Rahmenbedingungen konfrontiert.
- Abfallwirtschaftlich folgenreich ist die Regelung zu den Nebenprodukten in § 4 des Entwurfs. Die Verfasser sehen hier eine Rechtsverordnungs-Ermächtigung vor, in deren Umsetzung bestimmte Stoffe oder Gegenstände, die in Herstellungsprozessen anfallen, aus dem Abfallregime ausgeklammert werden können. Nach der Begründung zu dieser Norm dient die Verordnungsermächtigung auch der Umsetzung von europäischen Entscheidungen im sogenannten Komitologieverfahren (= ein Ausschussverfahren in Brüssel, in welchem Kriterien zur Produktanerkennung bei spezifischen Neben- oder Koppelprodukten entwickelt werden). „Auch“ bedeutet, dass wir möglicherweise mit deutschen Sonderregelungen zu einzelnen Stoffgruppen auf Bundesebene rechnen dürfen. Im Übrigen fällt auf, dass die deutsche Nebenprodukte-Regelung in § 4 des Entwurfs strikter formuliert ist, als die umzusetzende europäische Norm.
- Ähnlich große abfallwirtschaftliche Relevanz hat die Vorschrift über das Ende der Abfalleigenschaft in § 5 der Entwurfsfassung. Hiernach bemisst sich zukünftig, ob aufbereitete Recycling-Baustoffe, Kompost, Metalle, Kunststoffe, Papier etc. schon Produkt oder noch Abfall im Rechtssinne sind. Die Struktur der Vorschrift ist der Regelung über die Nebenprodukte angenähert. Eine Verordnungsermächtigung ist vorgesehen. In der Begründung (S. 85 des Entwurfs) finden sich Ausführungen zur Schnittstelle REACH sowie eine Aussage dazu, dass auch sekundäre Brennstoffe über § 5 des neuen Kreislaufwirtschaftsgesetzes die Produkteigenschaft erlangen können.
- Komplex, folgenreich und spannend ist die Vorschrift zur neuen, fünfstelligen Abfallhierarchie in § 6 des Entwurfs. Die Begründung dieser Norm nimmt einen weiten Ermessensspielraum des deutschen Gesetzgebers bei der Umsetzung der entsprechenden europäischen Vorgaben an. Der Entwurf scheint diesen Spielraum auch nutzen zu wollen. Die Wortwahl der Regelung wirkt weniger stringent als die der novellierten Abfallrahmenrichtlinie. Abgesehen davon wird eine Verzahnung mit Regelungen zur Hochwertigkeit von Verwertungsmaßnahmen geschaffen. Letztere enthalten – in einem Klammerzusatz – unter anderem die überkommene Heizwertgrenze von 11.000 kj/kg als Zulässigkeitsvoraussetzung, für eine energetische Verwertung.
Die Diskussionen zu dieser Regelungssystematik versprechen heftig zu werden. Ausweislich ihrer Begründung dient die Regelung zur Heizwertklausel „nicht nur dem Schutz stofflicher Verwertungsverfahren vor konkurrierenden ´niederwertigen` energetischen Verwertungsverfahren, sondern auch der Effizienzsteigerung der energetischen Verwertung selbst.“
- Heftige Diskussionen wird es auch bei der Neuregelung der Überlassungspflichten in § 16 des Entwurfs geben. Hierbei geht es insbesondere um die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen die private Entsorgungswirtschaft dazu befugt ist, Abfälle der privaten Haushalte einer Verwertung zuzuführen. Eine erste Bewertung der Vorschrift im Telegrammstil: Das System der Gesamtregelung hat an Komplexität deutlich zugenommen. Gleiches gilt für die Anzahl der unbestimmten Rechtsbegriffe zur Bewertung der Zulässigkeit der gewerblichen Sammlung.
Die Regelung zur Bestimmung der einer gewerblichen Sammlung im Einzelfall entgegenstehenden öffentlichen Interessen muss – und dies gilt für den gesamten Inhalt des neuen § 16 der Neufassung – im Zusammenhang mit seiner Begrünung gelesen werden. Die Begründung spricht eine andere Sprache als der Text der Vorschrift. Die dortigen Parallelwertungen zum Verbringungsrecht teilen wir ebenso wenig wie die Schlussfolgerungen aus der zitierten EuGH-Rechtsprechung. Die Vorschrift nebst ihrer Begründung wird – sollte sie in dieser Form erlassen werden – für Rechtstreitigkeiten sorgen.
- Die bisherige Regelung zur Drittbeauftragung in § 16 KrW-/AbfG ist durch § 19 des Entwurfs neu gefasst worden. Die Verantwortlichkeit für die Durchführung der Entsorgung soll nach dem Wortlaut der Novelle so lange bestehen bleiben, bis „die Entsorgung endgültig und ordnungsgemäß abgeschlossen ist“. Die zitierte Passage könnte in einer arbeitsteiligen Entsorgungswirtschaft zu einer organisatorisch und rechtlich nur schwer beherrschbaren Haftungsverschärfung führen.
- Die Bestimmungen zur Pflichtenübertragung in § 19 Abs. 2 bis 4 sind umfänglicher und differenzierter als bisher; interessant ist insoweit insbesondere, dass der Pflichtenübernehmer zukünftig gleichzeitig mit hoheitlichen Befugnissen, z. B. dem Recht zur Gebührenerhebung, ausgestattet wird. Bislang wurde die Pflichtenübertragung als Einräumung einer Dienstleistungskonzession gesehen. Inwieweit die neue Konstruktion der Pflichtenübertragung in Form der Beleihung auch vergaberechtliche Auswirkungen haben kann, wird gesondert zu bewerten sein.
- Bei den Überwachungsvorschriften fällt ein neu gestalteter § 46 Abs. 2 auf. Die Vorschrift sieht eine im alten Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz nicht enthaltene Verpflichtung der zuständigen Behörde zur periodischen Überprüfung von Erzeugern von gefährlichen Abfällen, von Anlagen oder Unternehmen, die Abfälle entsorgen sowie von Beförderern, Sammlern, Händlern und Maklern vor. Bei der Überprüfung der Sammlung und Beförderung von Abfällen erstreckt sich die turnusmäßige Kontrolle auch auf den Ursprung, die Art, die Menge und den Bestimmungsort der gesammelten und beförderten Abfälle.
- §§ 52 und 53: Das System der gesetzlichen Vorgaben für Sammler, Beförderer, Händler und Makler wird sich ändern. Abgesehen von den oben bereits angesprochenen Definitionen werden Anzeige- und Erlaubnispflichten eingeführt. Maßgebliches Differenzierungskriterium hierbei ist die Frage, ob es sich um gefährliche Abfälle handelt oder nicht. Anders als bisher spielt die Differenzierung zwischen der Verwertung und der Beseitigung von Abfällen an dieser Stelle keine Rolle mehr.
An versteckter Stelle – nämlich in Art. 4 Abs. 2 des Gesamtregelungspakets nebst Begründung – findet sich eine für Abfalltransporte wesentliche weitere Unterscheidung, nämlich diejenige für gewerbsmäßige Transporte im Vergleich zu derjenigen „im Rahmen wirtschaftlicher Unternehmen“. Die Erlaubnispflicht für letztere ist in Art. 4 der Gesetzesnovelle mit einer Übergangsfrist von zwei Jahren ausgestattet.
Soweit der erste Blick auf einige der Highlights des neuen Kreislaufwirtschaftsgesetzes. Haben wir wesentliche Dinge nicht angesprochen oder übersehen? Sicherlich! Ja! Die Diskussionen der nächsten Wochen werden aber weitere Aspekte, Neuerungen und eventuelle Unklarheiten des Gesetzentwurfs ans Tageslicht fördern. Wir sehen diesen Diskussionen mit Spannung entgegen.
Eine der Fragen an den Gesetzgeber auf Bundesebene wird dabei sein, ob parallel zur oder im Anschluss an die Gesetzesnovelle ein Anpassungsbedarf des untergesetzlichen Regelwerks gesehen wird. Anders formuliert: Müssen nicht auch die existierenden Verordnungen zum alten Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz umfänglich an das neue Kreislaufwirtschaftsgesetz und dessen europäische Vorgaben angeglichen werden? Die Begründung zum vorliegenden Gesetzentwurf erweckt den Anschein, als werde dieser Anpassungsbedarf nicht gesehen.
Soviel zunächst als erster Einblick. Wir hoffen, mit unseren Literaturempfehlungen eine Hilfestellung für den Einstieg in das neue Abfallrecht geliefert zu haben.
Ansonsten gilt wie immer: Fragen dazu? Fragen Sie uns!
Den Gesetzesentwurf finden Sie hier.
Einen Veranstaltungshinweis finden Sie hier.