Alles nur Theater?
Das OLG Frankfurt/Main hat sich am 29.09.2015 mit der Frage befasst, wie die Interessenwahrnehmung bei einer Geschäftsbesorgung ausgestaltet sein muss, um ein Handelsvertreterverhältnis anzunehmen. Noch liegt nur eine am 15.10.2015 veröffentlichte Pressemittelung vor. Doch das Ergebnis überrascht:
Die Ausgangslage – Geschäftsvermittlung und Interessenwahrnehmung
Nach Maßgabe von § 84 HGB ist Handelsvertreter, wer ständig damit beauftragt ist, Geschäfte für einen anderen Unternehmer zu vermitteln oder in dessen Namen abzuschließen. Als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal wird hierbei auch vorausgesetzt, dass der Vertreter die Interessenwahrnehmung für den Unternehmer übernimmt. Er soll damit nicht die Interessen der potentiellen Vertragspartner über die Interessen seines Unternehmers stellen dürfen. Wird das Vertragsverhältnis mit einem Handelsvertreter beendet, steht diesem für die überlassenen Kundenkontakte grundsätzlich ein Ausgleichsanspruch zu.
Der Fall – rund 20 Jahre Vermittlung von Karten
Vorliegend war der klagende Besucherring seit 1986 für das Land Hessen als Träger des Staatstheaters Wiesbaden tätig. In einem Vertrag aus dem Jahr 1989 war „sinngemäß´“ geregelt, dass das Land dem Besucherring die Vermittlung von Theaterkarten für das gesamte Einzugsgebiet des Staatstheaters außerhalb Wiesbadens überträgt. Als im Jahr 2012 das Insolvenzverfahren über den Besucherring eröffnet wurde, kündigt das Land Hessen dem Besucherring. Der Besucherring verlangte einen Ausgleichsanspruch.
Die Entscheidung – bloß kulturelle Zwecke
Das OLG Frankfurt ist der Auffassung, dem Besucherring stünde kein solcher Anspruch zu. Der Besucherring sei nicht als Handelsvertreter des Landes Hessen anzusehen, da er nicht die Interessenwahrnehmung für das Land Hessen, sondern „kulturelle Zwecke“ verfolge.
Aussicht
Auch wenn die Entscheidungsgründe noch nicht vorliegen, können die Auswirkungen auf vergleichbare Fälle erheblich sein.
Das OLG Frankfurt zieht zur Bewertung der Eigenschaft des Handelsvertreters nicht nur die konkrete Tätigkeit heran, sondern bedient sich auch des Vereinszwecks des Vertreters. Wer kulturelle Aufgaben verfolge, nehme nicht die Interessen des anderen Unternehmers wahr.
Mit diesem Ansatz wird es erleichtert, insbesondere gemeinnützige Betriebe aus dem Anwendungsbereich des Handelsvertreterrechts auszuschließen, in dem man ihnen abspricht, die Interessenwahrnehmung für den Auftraggeber zu übernehmen, weil sie übergeordnete Zwecke verfolgen.
Das Tatbestandsmerkmal „Interessenwahrnehmung“ derart einzusetzen, erscheint kritisch. Bislang grenzte die ersichtliche Rechtsprechung (z. B. BGH, Urteil vom 01.04.1992 – IV ZR 154/91 oder OLG Hamburg, Urteil vom 28.10.2005 – 11 U 169/04) durch dieses Merkmal ab, ob ein Vertreter, der auch die Interessen des anderen Vertragspartners verfolgte, noch als Handelsvertreter des Unternehmers angesehen werden kann. So kann durch das Kriterium „Interessenwahrnehmung“ der Makler gut vom Handelsvertreter unterschieden werden. Ebenso zeigt sich die Interessenwahrnehmung als geeignet, das eigene Interessen verfolgende Unternehmer (z. B. Künstleragenturen) von einem Handelsvertreter zu unterscheiden.
Dass ein Verein, dessen Zweck kulturelle Aufgaben sind und zu dessen Interessenwahrnehmung die Absatzsteigerung des Staatstheaters sein soll, nicht Vertreter des Theater-Trägers sein kann, ist jedoch alles andere als eindeutig.
Sobald die Entscheidungsgründe vorliegen, berichten wir weiter.