10 Fakten zur Beschaffenheitsvereinbarung
Die Funktionstauglichkeit eines Werks entscheidet nicht selten darüber, ob einem Kunden gegen den Unternehmer Gewährleistungsansprüche zustehen. Was dies in der Praxis bedeutet, zeigen die folgenden 10 Fakten:
1. Der Unternehmer schuldet die vereinbarte Beschaffenheit – und damit die Funktionstauglichkeit
Ist ein Werk mangelhaft, kann der Kunde Gewährleistungsrechte geltend machen, vgl. § 634 BGB. Nach § 633 Abs. 2 Satz 1 BGB ist das Werk frei von Sachmängeln, wenn es die vereinbarte Beschaffenheit hat. Der Bundesgerichtshof führt hierzu aus:
„Welche Beschaffenheit eines Werkes die Parteien vereinbart haben, ergibt sich aus der Auslegung des Werkvertrages. Zur vereinbarten Beschaffenheit im Sinne des § 633 Abs. 2 Satz 1 BGB gehören alle Eigenschaften des Werkes, die nach der Vereinbarung der Parteien den vertraglich geschuldeten Erfolg herbeiführen sollen. Der vertraglich geschuldete Erfolg bestimmt sich nicht allein nach der zu seiner Erreichung vereinbarten Leistung oder Ausführungsart, sondern auch danach, welche Funktion das Werk nach dem Willen der Parteien erfüllen soll.“
Vereinfacht bedeutet dies: Was der Unternehmer herstellt, muss nicht nur der Leistungsbeschreibung entsprechen, sondern vor allem auch seine vertraglich vorausgesetzte Funktion erfüllen.
2. Der Unternehmer schuldet die Funktionstauglichkeit – auch wenn dies mit der konkreten Leistung nicht möglich ist
Allein die Vereinbarung der jeweiligen Leistung bzw. der Ausführungsart, wie sie sich z.B. in Leistungsverzeichnissen oder sonstigen Leistungsbeschreibungen dokumentiert, ist damit nicht ausschließliche Grundlage für die Beurteilung, inwieweit die vereinbarte Beschaffenheit eingehalten ist. Vielmehr ist selbst dann, wenn die im Vertrag vorgesehene Leistung oder Ausführungsart nicht geeignet ist, die Funktionstauglichkeit herbiezuführen, die vereinbarte Funktion in die Beurteilung der vereinbarten Beschaffenheit einzubeziehen.
Im Ergebnis schuldet der Unternehmer damit die Funktionstauglichkeit auch dann, wenn sie sich mit der konkret vereinbarten Leistung überhaupt nicht erreichen lässt.
3. Der Unternehmer haftet für die Funktionstauglichkeit – auch bei ordnungsgemäßer Ausführung seiner Leistung
Selbst wenn der Unternehmer den anerkannten Stand der Technik einhält und seine Leistungen vollkommen ordnungsgemäß erbringt, entlastet dies seine Gewährleistung für die Funktionstauglichkeit im Ergebnis nicht. Eine Entlastung kann es für ihn nur insoweit geben, als ausnahmsweise zu prüfen ist, ob der Besteller Kosten im Rahmen der Vorteilsausgleichung unter dem Gesichtspunkt der Sowiesokosten zu übernehmen hat, wenn zur Herbeiführung der Funktionstauglichkeit Leistungen notwendig sind, die von der vereinbarten Leistung oder Ausführungsart nicht erfasst sind (vgl. BGH, Beschluss vom 25.01.2007 – VII ZR 41/06).
4. Haftung auch bei Fehlern in der Vorleistung Dritter
Es entlastet den Unternehmer auch nicht, wenn der Umstand, dass seine Leistung nicht die vertraglich vorausgesetzte Funktion erfüllt, darauf beruht, dass ein dritter Unternehmer eine Vorarbeit mangelhaft ausgeführt hat. Es bleibt auch in diesem Fall bei der allgemeinen Regel, dass ein Unternehmer dann nicht für den Mangel seines Werks verantwortlich, wenn dieser auf verbindliche Vorgaben des Bestellers oder von diesem gelieferte Stoffe oder Bauteile oder Vorleistungen anderer Unternehmer zurückzuführen ist und der Unternehmer seine Prüfungs- und Hinweispflicht erfüllt hat. Ein Unternehmer sollte daher in eigenem Interesse unbedingt prüfen und geeignete Erkundigungen einziehen, ob diese Vorarbeiten, Stoffe oder Bauteile eine geeignete Grundlage für sein Werk bieten und keine Eigenschaft aufweisen, die den Erfolg seiner Arbeit in Frage stellen.
5. Umfang von Prüfungs- und Hinweispflichten
Der Rahmen der Prüf- und Hinweispflichten und ihre Grenzen ergeben sich aus dem Grundsatz der Zumutbarkeit, wie er sich nach den Umständen des Einzelfalls darstellt.
Was hiernach zu fordern ist, erschließt sich nicht allgemeingültig aus der Rechtsprechung. Maßgeblich ist dies jedenfalls nach dem zu erwartenden Fachwissen des Unternehmers, nach seiner Kenntnis über Vorleistungen, Stoffe oder Bauteile und – so der BGH – überhaupt nach allen Umständen, die für den Unternehmer bei hinreichend deutlicher Prüfung als bedeutsam erkennbar sind, zu beurteilen.
6. Es kommt nicht (immer) auf das konkrete Fachwissen an
Obwohl das Prüfungsprogramm für die Feststellung der Funktionstauglichkeit auf das Fachwissen des Unternehmers abstellt, kommt es auf die konkreten Fähigkeiten des Unternehmers nicht an. Wer Aufgaben übernimmt, die bestimmte Anforderungen stellen, muss sich auch an diesen Anforderungen messen lassen (so OLG Koblenz, Beschluss vom 23.12.2014 – 3 U 814/14). Es ist also von dem Fachwissen auszugehen, dass ein Fachunternehmer bei der Ausführung der Arbeiten hätte haben müssen.
7. Der Hinweis zur Funktionstauglichkeit als solcher
Um den Hinweispflichten zu genügen, reicht es in der Regel nicht, wenn der Unternehmer zugleich mit dem Angebot seiner Arbeiten weitergehende Untersuchungen empfohlen oder angeboten hat. Dies allein macht es für den Kunden als Laien nämlich noch nicht erkennbar, dass das Ergebnis der Untersuchungen Einfluss auf die Funktionstauglichkeit der angebotenen Leistung haben kann (so OLG Koblenz, Beschluss vom 23.12.2014 – 3 U 814/14). Vielmehr ist es erforderlich, die abstrakt denkbaren Risiken in einer auch für den Laien verständlichen Form und Sprache darzulegen (siehe BGH, Urteile vom 23.10.1986 – VII ZR 485/85 und 267/85).
8. Beispiel zur Verdeutlichung
Die Rechtsprechung musste diese abstrakten Prüfungs- und Hinweispflichten in zahlreichen Fällen konkretisieren. Es lohnt, die Entscheidungen (auch zum Kaufrecht) zu studieren, um ein Bauchgefühl für die Prüfdichte zu bekommen. Ein paar Beispiele aus der Praxis:
Reicht die Speicherkapazität einer Festplatte (hier: 10 MB) für den vertragsgemäßen Gebrauch eines PC nicht aus, ist die Anlage mangelhaft. Teilt der Käufer eines PC dem Verkäufer vor Abschluss des Vertrages den Umfang der für die geplante Fakturierung zu speichernden Daten durch Angabe der Zahl der Kunden (hier: 1000) und der Artikel des Warenlagers (hier: 5000) mit, obliegt es dem Verkäufer, aus diesen Angaben die erforderliche Speicherkapazität zu errechnen (OLG Köln, Urteil vom 26.10.1990 – 19 U 28/90).
Ein Werkunternehmer, der bei der Herstellung der Außenanlagen an einem Gebäude und Erstellung eines Spritzschutzstreifens Erdreich, Schüttgüter und Beton gegen den zum Teil nicht abgedeckten Sockel schüttet und einbaut, muss gegen die vorgesehene Ausführung Bedenken anmelden, wenn das Gebäude keine Abdichtung auf dem Putz aufweist (OLG Koblenz, Beschluss vom 23.12.2014 – 3 U 814/14).
Der Heizungsbauer muss sich vergewissern, dass das an die von ihm zu errichtende Hausanlage anzuschließende Blockheizkraftwerk über eine ausreichende Wärmemenge zur Erwärmung des Gebäudes verfügt (BGH, Urteil vom 08.11.2007 – VII ZR 183/05).
9. Funktionstauglichkeit aus Werbeprospekten
Der Unternehmer muss sich an öffentliche Aussagen zur Beschaffenheit der von ihm angebotenen Leistungen, die er z. B. in Werbeprospekten dargelegt hat, entsprechend den Grundsätzen des Kaufvertragsrechts zu öffentlichen Äußerungen des Anbieters im Sinne von § 434 Abs. 1 Satz 3 BGB gewährleistungsrechtlich festhalten lassen (OLG Koblenz, Beschluss vom 23.12.2014 – 3 U 814/14).
10. Beweislage bei Werbeprospekten
Wenn Aussagen in Werbebroschüren im konkreten Auftragsfall nicht zutreffen, muss der Unternehmer darlegen und beweisen, dass er diese Aussagen gegenüber dem Kunden bis zum Vertragsschluss in einer verständlichen Art und Weise berichtigt hat.
Für den Unternehmer ist dies unerfreulich und für die Neukundengewinnung sogar eine Katastrophe: Wer allgemeine Hinweise auf mögliche Leistungserfolge in seinen Werbebroschüren formuliert, muss diese für den konkreten Fall zu Beweiszwecken schriftlich wieder aus der Welt schaffen, in dem er einräumt, dass diese Aussagen vorliegend nicht zutreffen.
Fazit
Die Haftungsrisiken aus diesen 10 Fakten über die Funktionstauglichkeit eines Werks sind erheblich. Ein Unternehmer muss früh ansetzen, um dies mit angemessenem Aufwand in den Griff zu bekommen. Hierzu wird gehören, das richtige Maß zwischen realistischer Darstellung des Einsatzgebietes von Leistungen und der Abgrenzung vom Wettbewerber in Broschüren oder sonstigen öffentlichen Werbemitteln zu finden. Unerlässlich wird es aber auch sein, das Personal vor Ort so zu schulen, dass vor dem Angebot ein ausreichende Sachverhaltsaufklärung erfolgt.