In der Rechtssache Altmark ging es um die öffentliche Dienstleistung der Beförderung mit Omnibussen im Landkreis Stendtal. 1994 erteilte der Landkreis der Altmark Trans GmbH Genehmigungen zur Beförderung und gewährte Zuschüsse, die die Kosten ihrer Aufgaben der Erbringung öffentlicher Dienstleistungen decken sollten. Ein mit ihr im Wettbewerb stehendes Unternehmen (die NVGA) erhob Klage bei den deutschen Gerichten und trug vor, dass die Altmark Zuschüsse erhalte, die mit den Gemeinschaftsvorschriften bei staatlichen Beihilfen unvereinbar seien. Daraufhin hat das Bundesverwaltungsgericht den Europäischen Gerichtshof gebeten, sich zur Rechtsnatur dieser Zuschüsse zu äußern.
Dem vorgeschilderten Sachverhalt liegt im wesentlichen folgende nationale Rechtslage zugrunde:
Entscheidende Weichenstellung des Personenbeförderungsgesetzes ist die Differenzierung nach „eigenwirtschaftlichen Verkehren“ und „gemeinwirtschaftlichen Verkehren“. Nur für eigenwirtschaftliche Verkehre gilt mit Modifikationen weiterhin das alte Konzessionssystem des Personenbeförderungsgesetzes. Für gemeinwirtschaftliche Verkehrsleistungen gilt dagegen § 13 a PbefG, auf dessen Grundlage § 1 Abs. 2 der Geringste-Kosten-Verordnung (GKV) regelt, dass zur Ermittlung der „geringsten Kosten für die Allgemeinheit“ die Verkehrsleistung grundsätzlich im Wettbewerb zu vergeben ist oder, falls dies nicht möglich ist, das öffentliche Preisrecht gilt. Zentrales Abgrenzungskriterium zwischen gemeinwirtschaftlichem und eigenwirtschaftlichem Verkehr ist in der Praxis die Frage, was „sonstige Unternehmenserträge im handelsrechtlichen Sinne“ gemäß § 8 Abs. 4 Satz 2 PbefG sind. So sollen unternehmensinterne Verlustabdeckungen aus dem Querverbund sowie Subventionen, Gesellschaftereinlagen und alle Zuschüsse der Gebietskörperschaften, die z. B. für Tarifermäßigungen und Fahrplanverdichtungen an eigene oder private Verkehrsunternehmen fließen, als Unternehmenserträge im handelsrechtlichen Sinne und die Verkehrsbedienung daher als eigenwirtschaftlich gelten.
In seinem Vorlagebeschluss ist das Bundesverwaltungsgericht dieser Auffassung „bei Anwendung der üblichen Auslegungsmethoden nach innerstaatlichem Recht“ beigetreten. Entscheidend ist jedoch für die vorzunehmende Abgrenzung nicht das deutsche Handelsrecht, sondern die Europäische Verordnung 1191/69.
Da die Legaldefinition in § 8 Abs. 4 Satz 2 PbefG nicht zu einer Umgehung des vorrangigen europäischen Rechts führen darf, ist die Norm europarechtskonform auszulegen. Zahlungen der öffentlichen Hand für die Verkehrsbedingungen im ÖPNV sind deshalb nur rechtmäßig, wenn sie den Vorgaben der VO 1191/69 folgen oder aber als sonstige Beihilfen zugelassen sind und hierfür das Notifizierungsverfahren nach Art. 88 EGV eingehalten wird.
Das Bundesverwaltungsgericht hat es in seinem Vorlagebeschluss als zweifelhaft angesehen, „ob das Normengeflecht der Art. 73, 87 EGV und der Verordnung (EWG) Nr. 1191/69“ zu einer „gemeinschaftsrechtskonformen Auslegung des § 8 Abs. 4 Satz 2 PbefG zwingt“. Zur Klärung dieser Problematik hat es deshalb den Europäischen Gerichtshof zur Vorabentscheidung angerufen.
In der heute ergangenen Entscheidung hat der Gerichtshof zunächst klargestellt, dass der deutsche Gesetzgeber von der in der Verordnung 1191/69 vorgesehenen Ausnahme für den Stadt-, Vorort und Regionalverkehr grundsätzlich auch teilweise – hier zugunsten des eigenwirtschaftlichen Verkehrs – Gebrauch machen kann, da er sich dadurch den Zielen der VO 1191/69 annähere. Ein Mitgliedstaat kann dies aber nur dann, wenn der Grundsatz der Rechtssicherheit gewahrt ist. Dies setzt nach Auffassung des Gerichtshofs voraus, dass im deutschen Recht klar festgelegt ist, in welchem Umfang von dieser Ausnahme Gebrauch gemacht werde, damit festgestellt werden könne, in welchem Fall diese Ausnahme gelte und in welchem Fall die Gemeinschaftsverordnung anwendbar sei. Für den Gerichtshof ist es durchaus zweifelhaft, ob der deutsche Gesetzgeber die Erfordernisse der Rechtssicherheit eingehalten hat.
Aus dem Vorlagebeschluss ergebe sich nämlich zum einen, dass auch Unternehmen, die für die Nutzung von Genehmigungen für Verkehrsdienste öffentliche Zuschüsse benötigten, dem eigenwirtschaftlichen Verkehr zugeordnet sein könnten. Zum anderen hat aber das vorlegende Bundesverwaltungsgericht festgestellt, dass das vom Gesetzgeber gewollte Wahlrecht des Unternehmers praktisch beseitigt würde, wenn die Notwendigkeit öffentlicher Zuschüsse automatisch die Zuordnung zum gemeinwirtschaftlichen Verkehr zur Folge hätte.
Käme aber auch das Bundesverwaltungsgericht zu dem Ergebnis, dass der Grundsatz der Rechtssicherheit vom deutschen Gesetzgeber nicht gewahrt wurde, hat es davon auszugehen, dass die VO 1191/69 in Deutschland voll und ganz anwendbar ist und daher auch für eigenwirtschaftliche Verkehrsleistungen gilt. Nach Art. 3 Abs. 1 der VO 1191/69 ist die Gewährung öffentlicher Zuschüsse unter dem Vorbehalt einer geringsten Kostenbelastung für die öffentlichen Haushalte zulässig. Nach § 1 Abs. 2 der Anwendungs-VO zu § 13 Abs. 1 Satz 3 PbefG sind die geringsten Kosten in der Regel gegeben, wenn die zuständige Behörde die Verkehrsleistung im Wettbewerb vergibt und ein Vergabeverfahren im Sinne der VOL/A durchführt. Diese Einschätzung entspricht im übrigen auch der Sichtweise der Europäischen Kommission.
Nur wenn das Bundesverwaltungsgericht zu dem Ergebnis gelangen sollte, dass die VO 1191/69 nicht für den eigenwirtschaftlichen Verkehr gilt und der Gebrauch der in der VO vorgesehenen Ausnahmebefugnis durch den deutschen Gesetzgeber den Grundsatz der Rechtssicherheit beachtet hat, hätte es zu prüfen, ob die fraglichen Zuschüsse im Einklang mit den Bestimmungen des EG-Vertrages über staatliche Beihilfen gewährt worden sind. Hierzu führt der Gerichtshof in der heute ergangenen Entscheidung aus, dass nach ständiger Rechtsprechung eine staatliche Maßnahme nur dann eine staatliche Beihilfe im Sinne des EG-Vertrages sein könne, wenn sie als „Vorteil“ für das begünstigte Unternehmen angesehen werden könne, den dieses unter normalen Marktbedingungen nicht erhalten hätte. Ein solcher Vorteil liege aber nicht vor, wenn eine staatliche finanzielle Maßnahme als Ausgleich anzusehen sei, der die Gegenleistung für Leistungen bilde, die von den Unternehmen, denen die Maßnahme zugute komme, zur Erfüllung gemeinwirtschaftlicher Verpflichtungen erbracht würden. Ein derartiger Ausgleich sei im konkreten Falle allerdings nur dann keine staatliche Beihilfe, wenn die folgenden vier Voraussetzungen erfüllt seien:
Zwar hat sich der EuGH zu der Ausschreibungspflicht der entsprechenden Verkehrsleistungen nicht ausdrücklich geäußert, eine europaweite Ausschreibung und ein offenes Vergabeverfahren lassen aber jedenfalls den Beihilfecharakter der in Rede stehenden Zuschüsse entfallen, da dann das betroffene Unternehmen keinen finanziellen „Vorteil“ erhalten hat, der bewirken würde, dass es gegenüber den mit ihm im Wettbewerb stehenden Unternehmen in eine günstige Wettbewerbsstellung gelangen würde. Diese Wirkung europaweiter Ausschreibungen und entsprechender Vergabe im Wettbewerb ist auch für das übrige Beihilfenrecht anerkannt.
Nachdem die EuGH-Richter die bisherige Zuschusspraxis zumindest nicht ausdrücklich verworfen haben, wird die Europäische Kommission ihre politischen Pläne für eine vollständige Liberalisierung des Nahverkehrsmarktes wieder forcieren. Zwar sind diese Pläne bislang über ein Entwurfsstadium noch nicht hinaus gekommen, der erste Entwurf einer neuen Verordnung sieht aber die grundsätzliche Ausschreibungspflicht der Nahverkehrsdienstleistungen vor. Auch die Bundesregierung hat eine abschließende Haltung zu dem Thema unter Verweis auf laufende Verfahren bislang zurückgestellt. Zwar fordert sie lange Übergangsfristen auf dem Weg zum endgültigen Verkehrswettbewerb.
Eins ist aber sicher: Der Wettbewerb im Nahverkehr wird kommen. Kommunale Aufgabenträger, die den zukünftigen Entwicklungen schon jetzt Rechnung tragen wollen und die auch nach der heute ergangenen EuGH-Entscheidung Rechts- und Planungssicherheit erlangen wollen, bleibt als Alternative letztlich nur die Ausschreibung der Nahverkehrsdienstleistungen.