Vor allem im vergangenen Jahr tobte angesichts der attraktiven Altpapierpreise der „Kampf um das Altpapier“ in vielen Kommunen zwischen den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgern und der privaten Entsorgungswirtschaft. Die privaten Entsorger hatten sich bei der Durchführung ihrer gewerblichen Sammlungen auf die Bestimmungen des § 13 Abs. 1 Satz 1 2. HS und Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 KrW-/AbfG berufen – und durchweg vor den Oberverwaltungsgerichten Recht bekommen. Dabei wurde regelmäßig die gesetzgeberische Entscheidung im Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz von 1996 zugunsten einer Dualität der Abfallentsorgung betont mit der Konsequenz, dass den öffentlich-rechtlichen Entsorgern keine Grundsatzzuständigkeit (für Abfälle von privaten Haushaltungen zur Verwertung) obliege. Insbesondere das Oberverwaltungsgericht Schleswig-Holstein hatte eine gewerbliche Sammlung in Kiel auf der Grundlage beider Regelungen zugelassen. Nunmehr hatte das daraufhin angerufene Bundesverwaltungsgericht in Leipzig über die Frage zu entscheiden, ob die Pflicht zur Überlassung von Abfällen aus privaten Haushaltungen an den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger nach § 13 Abs. 1 Satz 1 1. HS KrW-/AbfG auch dann entfalle, soweit die Besitzer der Abfälle zur Verwertung durch Beauftragung eines Dritten in der Lage wären. Daneben hatten sich die Bundesrichter mit der Ausnahme von der Überlassungspflicht im Rahmen einer „gewerblichen Sammlung“ gemäß § 13 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 KrW-/AbfG auseinanderzusetzen.
Grundsätzliche Zuständigkeit öffentlich-rechtlicher Entsorger für Abfälle aus privaten Haushaltungen
Wider Erwarten und entgegen aller bisherigen oberverwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung hat das Bundesverwaltungsgericht ein eindeutiges Urteil zu Lasten der privaten Entsorgungswirtschaft getroffen. Ausgehend von der Pressemitteilung des Bundesverwaltungsgerichts hat dieses in seinem Urteil vom 18.06.2009 (7 C 16.08) entschieden, dass private Haushaltungen ihren Hausmüll einschließlich seiner verwertbaren Bestandteile (wie insbesondere des Altpapiers) grundsätzlich den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgern zu überlassen hätten und nicht befugt seien, mit der Verwertung solcher Bestandteile „Dritte“ zu beauftragen. Das Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz sehe für den Bereich der Abfälle aus privaten Haushaltungen die grundsätzliche Zuständigkeit der öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger vor. Davon ausgenommen seien nur die Teile des Hausmülls, zu deren Verwertung die Abfallbesitzer persönlich – also ohne Beauftragung eines Dritten – beispielsweise bei einer Eigenkompostierung in der Lage seien. Dieses Ergebnis folge aus der Systematik des Gesetzes und dessen Zweck, die ordnungsgemäße und schadlose Verwertung von Abfällen sicherzustellen. Bei privaten Haushaltungen rechtfertige diese Zielsetzung anders als bei verwertbarem Abfall aus anderen Herkunftsbereichen die grundsätzliche Zuweisung an den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger. Wäre eine – aus der Entstehungsgeschichte des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes nicht zu entnehmende – Abkehr von diesem tradierten Entsorgungssystem beabsichtigt gewesen, hätte es einer deutlichen gesetzlichen Regelung bedurft.
Während die Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts im Hinblick auf die Beauftragung eines Dritten durch private Haushaltungen nicht wirklich verwundert, so erstaunen doch zumindest die generellen Ausführungen zugunsten einer grundsätzlichen Zuständigkeit der öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger. Denn der Gesetzgeber hatte sich im Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz von 1996 ausdrücklich zugunsten einer Dualität der Entsorgungswirtschaft – d.h. einem parallelen Tätigwerden von öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger und der privaten Entsorgungswirtschaft – entschieden. Zudem waren mit Altpapier solche Stoffe Gegenstand des Gerichtsverfahrens, die vor 1996 überhaupt nicht dem Abfallregime unterfielen, so dass sie fraglos von jedem Abfallbesitzer – und damit auch dem privaten Haushalt – als Wirtschaftsgut unproblematisch an Dritte zur Verwertung abgegeben werden konnten. Mithin hatte der Gesetzgeber nichts „klarzustellen“, da erst die aktuelle Auslegung des Bundesverwaltungsgerichts zu einer Abkehr von traditionellen Entsorgungssystemen führt.
Gewerbliche Sammlung: Jetzt noch realisierbar?
Umso verheerender sind die weiteren Ausführungen des Bundesverwaltungsgerichts zur Zulässigkeit „gewerblicher Sammlungen“ im Sinne von § 13 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 KrW-/AbfG. Ausweislich der Pressemitteilung des Bundesverwaltungsgerichts führt es in diesem Zusammenhang folgende Erwägungen an: Ob und in welchem Umfang die Tätigkeit der Klägerin in der konkreten Situation als „gewerbliche Sammlung“ im Sinne von § 13 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 KrW-/AbfG anzusehen sei und sie in diesem Rahmen Altpapier aus privaten Haushaltungen ausnahmsweise verwerten dürfe, könne das Bundesverwaltungsgericht mangels ausreichender tatsächlicher Feststellungen nicht abschließend beurteilen – und verwies die Frage insoweit an das Oberverwaltungsgericht Schleswig-Holstein zurück. Gleichzeitig hat es den Ausnahmetatbestand der „gewerblichen Sammlungen“ im Weiteren bis auf das Äußerste verengt. Es hat die Voraussetzungen für die Ausnahme erheblich enger gefasst als die gesamte bisherige oberverwaltungsgerichtliche Rechtsprechung.
Begriff der „Sammlung“: Europarechtswidrige Interpretation
Konkret berufen sich die Richter auf Folgendes: Der Sammlungsbegriff des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz schließe Tätigkeiten aus, die auf der Grundlage vertraglicher Bindungen zwischen den sammelnden Unternehmen und den privaten Haushalten nach Art eines Entsorgungsträgers in dauerhaften festen Strukturen gegen Entgelt abgewickelt würden.
Diese Interpretaion des Bundesverwaltungsgerichts ist in keinster Weise nachvollziehbar. Seine Auffassung vorausgesetzt, wären nur noch Spontansammlungen oder punktuell organisierte Sammlungen karitativer Vereinigungen als „gewerbliche Sammlungen“ zu verstehen – alle angezeigten Sammlungen der vergangenen Monate würden dagegen angesichts der zumeist flächendeckend und vor allem dauerhaft im Gebiet einer Kommune eingeführten gewerblichen Sammlung nicht unter diesen Begriff fallen und wären dementsprechend schon allein aus diesem Grund unzulässig. Überdies ist kaum ein praktischer Anwendungsfall denkbar, in dem nicht wenigstens konkludent ein Vertrag zwischen den Beteiligten geschlossen wird und die Leistungen (Verwertung der Abfälle auf der einen, Überlassung der werthaltigen Abfälle auf der anderen Seite) zudem entgeltlich erbracht werden. Eine solche Auslegung widerspricht aber auch der Definition der „Sammlung“ in der neuen – bis zum 12.12.2010 in nationales Recht umzusetzenden – Abfallrahmenrichtlinie vom 19.11.2008 (RL 2008/98/EG) zum Umgang mit Abfällen in der Gemeinschaft. Hier heißt es: „Sammlung“ ist das Einsammeln von Abfällen, einschließlich deren vorläufiger Sortierung und vorläufiger Lagerung zum Zwecke des Transports zu einer Abfallbehandlungsanlage (vgl. Art. 3 Nr. 10 RL 2008/98/EG) – eine Einschränkung, wie sie das Bundesverwaltungsgericht vorgenommen hat, lässt sich der weiten Interpretation der europäischen Vorgaben nicht entnehmen. Im Einzelnen hat sich das Bundesverwaltungsgericht allerdings – zumindest in der mündlichen Verhandlung sowie in der Pressemitteilung – nicht mit den Vorgaben des Europarechts auseinandergesetzt. Diese extrem enge Interpretation des Begriffs der „gewerblichen Sammlung“ dürfte grob europarechtswidrig sein. Faktisch führt die Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts dazu, dass „gewerbliche Sammlungen“ – wie sie vor allem im letzten Jahr anzutreffen waren – zukünftig ausgeschlossen sind. Damit ist der Idee des Gesetzgebers von einer Dualität der Abfallentsorgung eine klare Absage erteilt. In der Konsequenz sind Kommunen damit so gut wie ausschließlich für Abfälle aus privaten Haushaltungen zuständig und private Entsorger können im Wesentlichen nur noch in die Verwertung von gewerblichen Abfällen eingebunden werden. Ein solches Ergebnis widerspricht allerdings in eklatanter Weise dem gesetzgeberischen Willen.
Begriff der „öffentlichen Interessen“: Erheblich aufgeweicht
Auch den Begriff der „entgegenstehenden öffentlichen Interessen“ hat das Bundesverwaltungsgericht laut seiner Pressemitteilung erheblich zugunsten der Kommunen aufgeweicht. Überwiegende öffentliche Interessen stünden einer gewerblichen Sammlung nicht erst bei einer Existenzgefährdung des öffentlich-rechtlichen Entsorgungssystems, sondern schon dann entgegen, wenn die Sammlungstätigkeit nach ihrer konkreten Ausgestaltung mehr als nur geringfügige Auswirkungen auf die Organisation und die Planungssicherheit des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers nach sich ziehe. Auch diese Ausführungen begegnen erheblichen Bedenken. Wann „mehr als nur geringfügige Auswirkungen auf die Organisation und die Planungssicherheit des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers“ angenommen werden können, wird sich möglicherweise aus den Urteilsgründen ergeben. Klar ist jedoch bereits heute: Kommunen werden von diesen Aussagen in erheblichem Umfang profitieren und bei geschickter Argumentation vermutlich in jedem Fall solche geforderten Auswirkungen darstellen können.
Fazit
Zukünftig wird es für die private Entsorgungswirtschaft vor dem Hintergrund der aktuellen Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts kaum noch möglich sein, gewerbliche Sammlungen – in wirtschaftlich tragbarem Umfang – zu realisieren. Außerdem steht zu erwarten, dass je nach Entwicklung der Altpapierpreise die bereits laufenden gewerblichen Sammlungen bzw. deren Bestandskraft durch die eine oder andere Kommune erneut auf den Prüfstand gestellt werden. Es bleibt abzuwarten, wie sich angesichts der europarechtswidrigen Auslegung des nationalen Rechts die Europäische Kommission verhalten wird. Möglicherweise fasst sich aber auch der nationale Gesetzgeber ein Herz und klärt die Thematik bei der anstehenden Novelle des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes ein für allemal für alle Beteiligten zufriedenstellend.