In wenigen Wochen soll das Bundeskabinett über die Eckpunkte eines deutschen Lieferkettengesetzes entscheiden. Was heißt das für Unternehmen, Vorstände und Geschäftsführer? Was ist aus transportrechtlicher Sicht zu beachten?
Für viele ist das Lieferkettengesetz, über das in Kürze entschieden wird, ein inhaltsloser Begriff. Die genauen Hintergründe sind kaum bekannt, obwohl es ähnliche Gesetze bereits in Frankreich und den Niederlanden gibt. In diesem Beitrag möchten wir Sie darüber informieren, welche Auswirkungen das Gesetz auf die Business Judgement Rule haben wird.
Aktuell sind Vorstände und Geschäftsführer bereits dazu verpflichtet, im Rahmen ihrer Geschäftsaktivitäten darauf zu achten, korrumpierende Sachverhalte zu vermeiden. Eine grundsätzliche Kontrolle der Geschäftsbeziehungen ist grundsätzlich vorgeschrieben.
Das geplante Lieferkettengesetz basiert auf Forderungen der Vereinten Nationen und der Organisation for Economic Co-operation and Development (OECD) ab dem Jahr 2011 und dient der Umsetzung der Menschenrechtskonvention sowie der UN-Kinderrechtskonvention. Im Grundsatz sähe das Gesetz folgende Anforderungen an Unternehmen vor:
Mittelständische und große Unternehmen in Deutschland sollen demnach dazu verpflichtet werden, ökologische und soziale Mindeststandards in ihrer Lieferkette sicher zu stellen, wie z. B. die Einhaltung von Menschenrechten. Konkret sollen auf Grundlage eines Ordnungswidrigkeitenkataloges Unternehmen zivilrechtlich haftbar gemacht werden. Ferner sollen geschädigte Parteien die Möglichkeit erhalten, Schadensersatz geltend zu machen.
Nach langer Zeit der freiwilligen Selbstverpflichtung der Unternehmen hinsichtlich ihrer Lieferanten und immer wiederkehrenden kritischen Einwänden von Menschenrechtsorganisation soll das Lieferkettengesetz nun Abhilfe und Klarheit schaffen. Wirtschaftsverbände befürchten dadurch eine zusätzliche Belastung der Unternehmen in der COVID-19-Pandemie sowie weiteren bürokratischen Aufwand und folglich Wettbewerbsnachteile. Darüber hinaus ist die Durchführbarkeit der kommunizierten Gesetzesforderungen im Hinblick auf die Kenntnis der Lieferketten bis zu jedem einzelnen Sublieferanten gerade im europäischen Ausland nur schwer umsetzbar. Gerade für größere Unternehmen wird es erheblichen Aufwand bedeuten, ihre Lieferkette lückenlos zu dokumentieren.
Auch wird befürchtet, dass das geplante Gesetz erhebliche Branchen-Ungleichgewichte in der Umsetzung hervorrufen wird. Stark auf Importe angewiesene Branchen wie die Textil-, Pharma-, Lebensmittel- oder Automobilindustrie würden stärker betroffen sein.
Folgende kritische Punkte sind zu erwarten:
Was genau bedeutet das Gesetzesvorhaben für Ihren Einkauf?
Dem Unternehmensbereich Einkauf wird durch das geplante Lieferkettengesetz mehr Verantwortung und Wichtigkeit - als Bindeglied zu den Lieferanten - zuteil. Das birgt Chancen (genaue Kenntnis der Geschäftspraxis des Zulieferers), aber auch – begründet durch die Haftung – erhöhte Risiken und mögliches Misstrauen gegenüber Geschäftspartnern. Zwar will der Gesetzgeber eine gewisse Umsetzungszeit einräumen, dennoch sollten sich Unternehmen bereits jetzt mit der Thematik und den Konsequenzen für ihr Unternehmen auseinandersetzen.
Konkret sehen wir zwei Handlungsfelder für den Einkauf:
Transparenz in der Lieferkette
Den bisherigen deutsche Standard (ausgenommen [Liefer-]Leistungen im Rahmen öffentlicher Aufträge), wonach Einkaufsorganisationen lediglich Kontakt zu ihren direkten Lieferanten (Tier 1) und nicht zu ihren Sublieferanten (Tier 2 etc.)haben, wird es nicht mehr geben. Ähnlich wie es bei Staatsaufträgen der USA (und öffentlichen Aufträgen) bereits seit vielen Jahren die Praxis ist, wird der Tier 1 in Zukunft Rechenschaft über die eigenen Sublieferanten abgeben müssen. Dies erschwert die Umsetzbarkeit von Compliance-Themen innerhalb der Lieferketten erheblich. Sollten die im Gesetz geregelten Maßnahmen und Standards auch Tochterfirmen, Lieferanten und Sublieferanten im Ausland betreffen, wird der Einsatz effizienter Technologien zur Lieferkettentransparenz unabdingbar sein.
Kommunikationswege bis in die Geschäftsleitung
Ähnlich wie es bereits bei korrumpierenden Sachverhalten der Fall ist, werden die Geschäftsleitungen von Unternehmen in Zukunft sicherstellen müssen, dass sie detailliert über die Lieferkette ihres Unternehmens informiert sind. Die Etablierung eines entsprechenden Kommunikations-, Tippgeber und Whistleblower-Systems wird zwingend erforderlich sein.
Das geforderte Risikomanagement soll für die betreffenden Unternehmen laut Gesetzesforderung wohl „verhältnismäßig und zumutbar“ sein. Haften soll ein Unternehmer im Falle einer Beeinträchtigung, „die bei Erfüllung der Sorgfaltspflicht vorhersehbar und vermeidbar war“. Die Prüfung geeigneter Lösungen zum proaktiven Risikomanagement ist schon jetzt dringend zu empfehlen.
Gerne unterstützen wir Sie und Ihr Unternehmen. Sprechen sie uns an. Jederzeit. Wir sind gerne für Sie da.