In China wurden bislang mindestens 18 Städte, darunter das Epizentrum Wuhan, abgeriegelt. Unternehmen wie Apple, Samsung oder Tesla haben ihre chinesischen Werke und Büros geschlossen. Die US-Notenbank hat jüngst überraschend wegen der Epidemie den Leitzins gesenkt, um die drohende Rezession aufzuhalten. In Italien und Griechenland wurden Schulen, Universitäten, Theater und Kinos geschlossen. Die weltgrößte Mobilfunkmesse, der World Mobile Congress in Barcelona, die ITB in Berlin, der Genfer Autosalon sowie Buchmessen in Bologna, Paris und Leipzig wurden wegen des Ausbruchs abgesagt bzw. verschoben.
Die wirtschaftlichen Folgen liegen auf der Hand: Produktionsausfälle wegen geschlossener Werke und unterbrochener Transportwege sowie finanzieller Mehraufwand wegen vergeblicher Aufwendungen. Hieraus ergibt sich die Frage, ob Unternehmen sich bezüglich solcher Schäden haftbar machen.
Zu den arbeitsrechtlichen Fragestellungen haben wir ebenfalls einen Blogbeitrag verfasst.
Force-Majeure-Klauseln in Verträgen
In den meisten internationalen Wirtschaftsverträgen finden sich häufig sog. Force-Majeure-Klauseln. Unter Force-Majeure versteht man außergewöhnliche, nicht vorhersehbare und der Kontrolle der Parteien entzogene Umstände, die eine Erfüllung des Vertrages zumindest vorübergehend unmöglich machen oder wesentlich erschweren. Diese sehen in der Regel eine vorübergehende Unterbrechung der betroffenen Leistungspflichten für die Zeit vor, in der ein Leistungshindernis aufgrund höherer Gewalt vorliegt.
Will sich ein Vertragspartner auf eine solche Klausel berufen, sollte er dies unverzüglich der anderen Vertragspartei anzeigen, vorzugsweise schriftlich.
Derjenige, der sich auf die Klausel beruft, ist grundsätzlich für das Vorliegen eines Falls von höherer Gewalt beweispflichtig. Zum Nachweis bietet sich die Beantragung eines Force-Majeure-Zertifikats an. Diese stellen in der Regel Wirtschaftsverbände oder Behörden in der betroffenen Region aus.
Rechtslage in Deutschland
Eine Definition der Begriffe Force-Majeure oder höhere Gewalt findet sich im deutschen Recht nicht.
Bei höherer Gewalt wird grundsätzlich auf die Regelungen der Unmöglichkeit nach § 275 BGB und des Wegfalls der Geschäftsgrundlage gemäß § 313 BGB abgestellt.
Ist eine Leistung unmöglich oder unzumutbar, führt § 275 BGB zum Wegfall der Leistungspflicht, beziehungsweise zu einem Leistungsverweigerungsrecht. Überwiegend wird vertreten, dass § 275 BGB auch bei einer vorübergehenden Unmöglichkeit der Leistungserbringung für die jeweilige Dauer des Leistungshindernisses anzuwenden ist.
Ist die Leistung für eine Partei unmöglich oder unzumutbar geworden, entfällt gem. § 326 Abs. 1 BGB auch der Anspruch auf die Gegenleistung. In diesem Fall darf die andere Partei in der Regel allerdings gem. § 326 Abs. 5 BGB vom Vertrag zurücktreten. Der Vertrag muss dann rückabgewickelt werden. Das bedeutet, dass die jeweils empfangenen Leistungen zurückzugewähren sind.
Nach § 313 BGB können Verträge nachträglich angepasst werden, wenn sich die Umstände, auf denen die Verträge basieren, verändert haben und den Parteien das Festhalten am Vertrag nicht mehr zugemutet werden kann. Ist eine solche Anpassung des Vertrages nicht durchführbar, kann der Vertrag auch beendet werden. Bei dem Wegfall der Geschäftsgrundlage handelt es sich allerdings um eine Ausnahmevorschrift, die von Gerichten eher restriktiv gehandhabt wird.
Das Coronavirus als höhere Gewalt
Wann höhere Gewalt vorliegt, ist stark einzelfallabhängig. Bei Force-Majeure-Klauseln ist zunächst auf den Wortlaut des Vertragstextes abzustellen. Häufig werden dort auch Epidemien oder Seuchen vom Anwendungsbereich umfasst.
Nach der Rechtsprechung der deutschen Gerichte handelt es sich bei höherer Gewalt grundsätzlich um ein Ereignis, das
Epidemien und Seuchen können prinzipiell als höhere Gewalt angesehen werden. Dies wurde von verschiedenen Gerichten beispielsweise anlässlich der SARS-Virus-Epidemie im Jahr 2003 (z.B. AG Augsburg, Urt. v. 9. November 2004 – 14 C 4608/03) oder eines Ausbruch von Cholera (AG Homburg, Urt. v. 2. September 1992 – 2 C 1451/92-18) bestätigt.
Warnhinweise des Auswärtigen Amtes oder der WHO sollen dabei ein Indiz für die Gefährdung bzw. für die erhebliche Wahrscheinlichkeit einer Gefährdung sein. Aber auch staatliche Eingriffe können einen Fall von höherer Gewalt darstellen, wenn diese die Leistungserbringung unmöglich machen oder erschweren. Dies kann bei Sanktionen, Produktionsbeschränkungen oder Embargos der Fall sein.
Das Auswärtige Amt hat derzeit unter anderem für verschiedene Regionen in China Reisewarnungen wegen des Coronavirus veröffentlicht. Den aktuellen Stand können Sie hier abrufen.
Allerdings treffen Regierungen aktuell weltweit verstärkt Abwehrmaßnahmen gegen das Coronavirus, die Unternehmen die Erfüllung ihrer vertraglichen Pflichten ggf. vorübergehend unmöglich machen oder erschweren können.
Fazit
Unternehmen, deren Leistungserbringung mittelbar oder unmittelbar wegen des Coronavirus gefährdet ist, sollten zunächst alle zumutbaren Maßnahmen zur Schadensbegrenzung ergreifen, um die Leistungsfähigkeit aufrechtzuerhalten.
Relevante Verträge sollten außerdem auf Force-Majeure-Klauseln untersucht werden. Ergänzend sollte die Rechtslage nach dem jeweils anzuwendenden Recht geprüft werden.
In jedem Fall müssen die betroffenen Vertragspartner frühzeitig über die Leistungshindernisse informiert werden. Parallel sollten Unternehmen mit der Beweissicherung beginnen und gegebenenfalls sog. Force-Majeure-Zertifikate beantragen.