Die Sorge um das Coronavirus ist mittlerweile allgegenwärtig. In Deutschland gibt es (Stand: Anfang März 2020) bereits über 200 bestätigte Fälle, fünfzehn der sechzehn Bundesländer sind betroffen. Neben Fragen der Prävention und einer medizinischen Behandlung stellen sich auch immer wieder arbeitsrechtliche Fragen. Im Folgenden sollen die am häufigsten gestellten arbeitsrechtlichen Fragen und ihre rechtliche Lösung kurz dargestellt werden.
1. Darf ein Arbeitgeber Arbeit im Homeoffice anordnen – hat der Arbeitnehmer hierauf einen Anspruch?
Besteht eine Homeoffice-Vereinbarung, kann der Arbeitgeber – je nach Ausgestaltung der Regelung – einen Arbeitnehmer zur Arbeit im Homeoffice anweisen; der Arbeitnehmer hat seinerseits dann oft auch einen Anspruch hierauf. Soweit jedoch keine Vereinbarung getroffen wurde, kann der Arbeitgeber einen Arbeitnehmer nicht einseitig anweisen, von zu Hause aus zu arbeiten. Mangels (derzeitiger) gesetzlicher Regelung hat dann auch der Arbeitnehmer keinen Anspruch darauf, seine Tätigkeit aus einem „Homeoffice“ heraus zu erledigen.
2. Darf ein Arbeitnehmer aus Angst vor Ansteckung der Arbeit fernbleiben?
Ein Arbeitnehmer darf grundsätzlich nicht aus Angst vor Ansteckung (sei es im oder auf dem Weg zum Betrieb) zu Hause bleiben und damit seine Arbeitsleistung verweigern. Die Ansteckungsgefahr gehört grundsätzlich zum allgemeinen Lebensrisiko. Fehlt der Arbeitnehmer unentschuldigt, kann der Arbeitgeber ihn daher abmahnen und im Wiederholungsfall sogar verhaltensbedingt kündigen. Ein Recht, der Arbeit fernzubleiben oder die Zusammenarbeit mit einem Kollegen zu verweigern, hat ein Arbeitnehmer ausnahmsweise nur dann, wenn am Arbeitsplatz etwa ein Kollege unter dem konkreten Verdacht steht, sich mit dem Coronavirus infiziert zu haben, der Arbeitgeber allerdings keine Maßnahmen zum Schutz der restlichen Belegschaft eingeleitet hat. Ein begründeter Verdacht liegt nach Angaben des Robert-Koch-Instituts jedenfalls dann vor, wenn jemand Kontakt zu einem Corona-Infizierten hatte oder in den letzten 14 Tagen eine Reise in ein Risikogebiet vorgenommen hat und entsprechende Krankheitssymptome zeigt.
3. Darf ein Arbeitgeber seine Arbeitnehmer „in den Urlaub schicken“ oder Betriebsferien anordnen?
Die einseitige Urlaubsfestlegung durch den Arbeitgeber ist in aller Regel nicht möglich. Bei der Festlegung des Urlaubs hat der Arbeitgeber gemäß § 7 Abs. 1 BUrlG vorrangig die Wünsche des Arbeitnehmers zu berücksichtigen. Liegt – ausnahmsweise – kein Wunsch des Arbeitnehmers vor und konkretisiert der Arbeitgeber den Urlaubszeitraum selbst, muss der Arbeitnehmer dies auch nicht akzeptieren, sondern hat ggf. ein Annahmeverweigerungsrecht. Auch die Möglichkeit, Betriebsferien, mithin die einheitliche Urlaubserteilung gegenüber allen Arbeitnehmern, anzuordnen, wird oftmals ausscheiden. Voraussetzung hierfür ist das Vorliegen dringender betrieblicher Gründe. Ob diese gegeben sind, hängt von dem jeweiligen Einzelfall ab. Zudem muss bereits geplanter Urlaub der Arbeitnehmer berücksichtigt werden. Besteht im Betrieb ein Betriebsrat ist schließlich unbedingt dessen Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 5 BetrVG zu beachten.
4. Wann darf ein Arbeitgeber einen Arbeitnehmer von der Arbeit freistellen?
Der Arbeitgeber darf einen Arbeitnehmer wegen dessen Beschäftigungsanspruchs nicht ohne Weiteres freistellen. Besteht allerdings der begründete Verdacht, dass sich ein Arbeitnehmer mit dem Coronavirus infiziert hat, oder liegt sogar eine Infektion vor (unterstellt, eine behördliche Maßnahme wurde noch nicht ergriffen, was selten der Fall sein dürfte), gebietet es bereits die Fürsorgepflicht gegenüber der restlichen Belegschaft, diesen Arbeitnehmer von der Arbeit bezahlt (!) freizustellen. Ist ein Arbeitnehmer am Coronavirus erkrankt, so berechtigt dies den Arbeitgeber grundsätzlich auch, die übrige Belegschaft oder zumindest diejenigen Arbeitnehmer, die Kontakt zu dem infizierten Mitarbeiter hatten, für 14 Tage von der Arbeit (bezahlt) freizustellen.
5. Muss der Arbeitnehmer den Arbeitgeber über seine Coronainfektion informieren?
Im Rahmen einer Krankmeldung muss der Arbeitnehmer die Art der Erkrankung – aus datenschutzrechtlichen Gründen – grundsätzlich nicht mitteilen. Dies ist allerdings bei stark ansteckenden Krankheiten wie dem Coronavirus nicht unumstritten. Hier wird zum Teil aus der allgemeinen Treuepflicht des Arbeitnehmers, auch und gerade zum Schutz der sonstigen Belegschaft, angenommen, der Arbeitnehmer müsse die Erkrankung dem Arbeitgeber mitteilen. Auch wenn der Arbeitgeber die Information wegen der Meldepflicht des Arztes von der Gesundheitsbehörde erhält, sollten Arbeitnehmer – bereits aus Gründen der Kollegialität – ihrem Arbeitgeber die Krankheitsursache ausnahmsweise mitteilen, damit dieser zügig Schutzmaßnahmen für den Rest der Belegschaft ergreifen kann.
6. Muss bzw. darf der Arbeitgeber infizierte Arbeitnehmer gegenüber der Belegschaft namentlich benennen?
Ohne Einwilligung der betroffenen Arbeitnehmer darf ein Arbeitgeber die Namen von infizierten Arbeitnehmern nicht offenbaren. Ungeachtet des Umstandes, dass es sich bei Gesundheitsdaten um besonders geschützte personenbezogene Daten handelt (Art. 9 Abs. 1 DS-GVO), ist eine namentliche Nennung der betroffenen Arbeitnehmer in aller Regel nicht erforderlich, wenn und weil die Arbeitnehmer aufgrund einer anonymisierten Information hinreichend unterrichtet sind, um das eigene Infektionsrisiko abzuschätzen. In kleineren Betrieben, in denen ohnehin alle Mitarbeiter untereinander in Kontakt geraten, hat die Information, wer denn nun genau an Corona erkrankt ist, für die übrigen Mitarbeiter keinen Mehrwert. In größeren Betrieben wiederum mit mehreren, ggf. auch räumlich voneinander abgetrennten Abteilungen, ist das Informationsinteresse der Belegschaft gewahrt, wenn der Arbeitgeber darüber informiert, aus welcher Abteilung der infizierte Arbeitnehmer stammt.
7. Hat ein Arbeitnehmer in Quarantäne Anspruch auf Vergütung?
Erkrankt ein Arbeitnehmer am Coronavirus oder steht der Arbeitnehmer in Verdacht, an dem Virus erkrankt zu sein und hat die zuständige Behörde gemäß § 30 Infektionsschutzgesetz (IfSG) Quarantäne angeordnet (oder gemäß § 31 IfSG ein berufliches Tätigkeitsverbot auferlegt), hat der Arbeitnehmer keinen Anspruch auf Vergütung. Er hat allerdings gemäß § 56 Abs. 1 IfSG einen Anspruch auf Entschädigung (zunächst) in Höhe des Verdienstausfalls. Die Entschädigung zahlt der Arbeitgeber für die zuständige Behörde, welche diese diesem dann zu erstatten hat; gemäß § 56 Abs. 12 IfSG hat der Arbeitgeber zudem einen Anspruch auf Vorschussgewährung.
Nach wohl herrschender Meinung gilt das Vorstehende auch dann, wenn der mit Corona infizierte Arbeitnehmer derart starke Symptome aufweist, dass er objektiv arbeitsunfähig ist, also auch ohne die Quarantäne nicht arbeiten könnte. Eine andere Auffassung nimmt bei einer Arbeitsunfähigkeit eine Verpflichtung des Arbeitgebers zur Entgeltfortzahlung nach dem Entgeltfortzahlungsgesetz an. Setzt sich diese Auffassung durch, hätte der Arbeitgeber in diesem Fall keinen Erstattungsanspruch.
8. Wie ist die Rechtslage, wenn die Kita/Schule schließt und der Arbeitnehmer ein Betreuungsproblem hat?
Schließt die Kita/Schule und muss ein Arbeitnehmer deshalb auf sein Kind aufpassen, trägt dieses Risiko in aller Regel wirtschaftlich der Arbeitnehmer. Zwar wäre das Fernbleiben von der Arbeit entschuldigt, wenn die Kinder anderenfalls (nachweisbar) ohne notwendige Betreuung wären. In diesem Fall gilt dann aber zunächst der Grundsatz „ohne Arbeit kein Geld“. § 616 BGB durchbricht diesen Grundsatz. Die Vorschrift regelt, dass ein Arbeitnehmer auch dann seinen Vergütungsanspruch behält, wenn er ohne sein Verschulden für eine „verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit“ aus persönlichen Gründen nicht zur Arbeit erscheinen kann. Bei der – auf die beschriebene Situation übertragbaren – Fallgestaltung, dass Kinder erkrankt sind und aus diesem Grunde der Betreuung durch ein Elternteil bedürfen, sieht die Rechtsprechung die zeitliche Grenze für die Verhältnismäßigkeit bei einer Woche. Bleibt der Arbeitnehmer aufgrund des Betreuungsproblems länger der Arbeit fern, wird für die gesamte Zeit nach § 616 BGB keine Vergütung geschuldet. Hinzu kommt, dass § 616 BGB kein zwingendes Recht darstellt. Häufig ist die Vorschrift in Tarifverträgen oder im Arbeitsvertrag abbedungen oder zumindest an Hand von Fallgestaltungen konkretisiert.
9. Haben Arbeitnehmer einen Anspruch auf Vergütung, wenn der Betrieb vorübergehend stillgelegt wird?
Muss ein Betrieb aufgrund einer behördlichen Anordnung vorübergehend eingestellt werden (z.B. weil bei Beschäftigten des Betriebes eine Coronainfektion nachgewiesen wurde), so behalten die Arbeitnehmer ihren Vergütungsanspruch. Eine solche Maßnahme wird als ein vom Arbeitgeber zu tragendes Betriebsrisiko angesehen. Die Arbeitnehmer müssen Zeiten der Betriebsstillegung grundsätzlich auch nicht nacharbeiten. Der Arbeitgeber trägt das Betriebsrisiko auch dann, wenn der Betrieb zwar nicht durch eine behördliche Maßnahme vorübergehend stillgelegt wird, sondern der Arbeitgeber sich selbst zu diesem Schritt z.B. als Vorsichtsmaßnahme entscheidet.
10. Darf ein Arbeitgeber einem Arbeitnehmer verbieten, im Rahmen seines Urlaubs ein Risikogebiet aufzusuchen, z.B. eine Chinareise vorzunehmen?
Was der Arbeitnehmer in seinem Urlaub macht, ist reine Privatsache. Insbesondere gibt es keine Pflicht des Arbeitnehmers, mitzuteilen, was er im Urlaub vorhat. Unterstellt, der Arbeitgeber hat von den Urlaubsplänen eines Arbeitnehmers erfahren, wird er in aller Regel keine Möglichkeit haben, die Umsetzung dieser Pläne zu verhindern. Einen Urlaubsantrag des Arbeitnehmers kann der Arbeitgeber nur aus dringenden betrieblichen Gründen (oder wegen entgegenstehender Urlaubswünsche anderer Arbeitnehmer) ablehnen. Diese liegen allerdings nicht bereits deshalb vor, weil der Arbeitnehmer in ein Risikogebiet reist und sich dort der Gefahr einer Infektion mit dem Coronavirus aussetzt. Der Verlust der Arbeitskraft für einen bestimmten Zeitraum droht auch bei anderen, potentiell gesundheitsschädigenden Aktivitäten im Urlaub.
11. Gibt es Einschränkungen bei Dienstreisen?
Die Anweisung einer Dienstreise durch den Arbeitgeber muss billigem Ermessen i. S. d. § 106 S. 1 GewO entsprechen. Dies setzt voraus, dass die wesentlichen Umstände des Falles abgewogen und die beiderseitigen Interessen angemessen berücksichtigt werden. Im Rahmen einer solchen Abwägung sind neben den betrieblichen Interessen insbesondere auch der Schutz der Gesundheit des Arbeitnehmers, die Zugehörigkeit zu einer Risikogruppe und etwaige Vorerkrankungen zu berücksichtigen. Allein die Sorge um eine mögliche Ansteckung lässt die Interessen des Arbeitnehmers allerdings nicht überwiegen. Ein allgemeines Leistungsverweigerungsrecht steht dem Arbeitnehmer nicht zu. Anders ist der Fall dagegen zu beurteilen, wenn das Auswärtige Amt von einer Reise in eine betreffende Region abrät oder sogar eine aktuelle Reisewarnung ausgesprochen hat. In einem solchen Fall wird die Anweisung in aller Regel nicht mehr dem billigen Ermessen entsprechen. Wird die Dienstreise dennoch angewiesen, steht dem Arbeitnehmer ein Leistungsverweigerungsrecht zu.
12. Kann ein Arbeitgeber Kurzarbeit anordnen, was sind die Voraussetzung für den Anspruch auf Kurzarbeitergeld?
Die Anordnung von Kurzarbeit, d.h. die vorübergehende Kürzung der betriebsüblichen normalen Arbeitszeit und Minderung der Vergütung, bedarf wegen des Beschäftigungsanspruchs des Arbeitnehmers einer expliziten Rechtsgrundlage in einem Tarifvertrag, in einer Betriebsvereinbarung oder im Arbeitsvertrag. Die Voraussetzungen für den Anspruch auf Kurzarbeitergeld sind das Vorliegen eines erheblichen Arbeitsausfalls (die Erheblichkeit setzt u. a. voraus, dass der Arbeitsausfall vorübergehend ist) verbunden mit einem Entgeltausfall, dessen Anzeige bei der zuständigen Agentur für Arbeit seitens des Arbeitgebers sowie die Erfüllung der betrieblichen sowie der persönlichen Voraussetzungen, vgl. § 95 Satz 1 SGB III. Da die Krankheitsfälle mittlerweile weltweit auftreten, können diese Voraussetzungen, deren Vorliegen die zuständige Agentur für Arbeit überprüft, erfüllt sein, wenn etwa Lieferungen ausbleiben und dadurch die Arbeitszeit verringert werden muss oder der Betrieb aufgrund einer behördlichen Maßnahme vorübergehend stillgelegt wird.
13. Welche präventiven Schutzmaßnahmen können Arbeitgeber ergreifen?
Im Rahmen seiner Fürsorgepflicht hat der Arbeitgeber Maßnahmen zum Schutz seiner Arbeitnehmer zu treffen, soweit diese erforderlich und für den Arbeitgeber zumutbar sind. Was erforderlich und zumutbar ist, hängt stark vom Einzelfall ab. Als präventive Maßnahme könnten Arbeitgeber etwa persönliche Treffen der Mitarbeiter untereinander oder mit Kunden auf ein Minimum beschränken und stattdessen vorrangig die Nutzung eines anderen Kommunikationsweges, wie etwa Telefon- oder Videokonferenzen, anweisen. Dort, wo es passt und die Arbeitnehmer einverstanden sind, könnten Tätigkeiten vermehrt vom Homeoffice aus durchgeführt werden. Arbeitgeber sollten zudem Desinfektionsmittel zur Verfügung stellen. Anweisungen gegenüber Arbeitnehmern, sich die Hände zu waschen oder diese zu desinfizieren, werden in der Regel auch von dem Weisungsrecht des Arbeitgebers umfasst sein. Allerdings ist bei Maßnahmen, die die Ordnung des Betriebes oder das Verhalten der Arbeitnehmer im Betrieb betreffen, immer das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG zu beachten.
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