Für Auftragsvergaben unterhalb der Schwellenwerte gilt damit der vierte Teil des GWB nicht. Ein unterlegener Bieter ist nach wie vor gehalten, etwaige Ansprüche vor den Verwaltungs- oder Zivilgerichten durchzusetzen (je nachdem, welchen Rechtsweg das im Bereich der Auftragsvergabe zuständige Gericht für einschlägig erachtet).
Sekundärrechtsschutz ausreichend
Auch unterhalb der Schwellenwerte haben die Bieter subjektive Rechte. Diese resultieren zwar nicht aus den auch unterhalb der Schwellenwerte anwendbaren Verdingungsordnungen, sondern vielmehr unmittelbar aus dem Verfassungsrecht (Art. 3 Abs. 1 GG). Gleichwohl ist zur Wahrung dieser Rechte der (vergaberechtliche) Primärrechtsschutz, also die Überprüfbarkeit der Entscheidung vor den Nachprüfungsinstanzen, nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts nicht erforderlich. Erstaunlicherweise hält das oberste Gericht schon Art. 19 Abs. 4 GG (die Rechtsweggarantie) in der konkreten Situation nicht für anwendbar. Die Entscheidung eines öffentlichen Auftraggebers über die Beschaffung von Leistungen sei – entgegen bislang überwiegender Auffassung – nicht als öffentliche Gewalt im Sinne des Art. 19 Abs. 4 GG einzustufen. Gleichwohl resultiere ein Rechtsschutzanspruch aus dem allgemeinen Justizgewährungsanspruch (Art. 20 Abs. 3 GG). Allerdings genüge die dem übergangenen Konkurrenten eingeräumte Möglichkeit des Rechtsschutzes gegen Entscheidungen über die Vergabe öffentlicher Aufträge im Unterschwellenbereich – nämlich die Möglichkeit, etwaige Schadenersatzansprüche geltend zu machen – diesen Anforderungen. Es sei verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass der Gesetzgeber das Interesse an einer raschen Vergabeentscheidung und damit an der Möglichkeit einer sofortigen Ausführung der Maßnahme über das Interesse des erfolglosen Bieters stelle. Vergaben unterhalb der Schwellenwerte seien ein Massenphänomen. Müssten für solche Vergaben stets bestimmte Verfahrensvorkehrungen getroffen werden, um effektiven Primärrechtsschutz zu ermöglichen, könnte das die Verwaltungsarbeit erheblich beeinträchtigen und dadurch die Wirtschaftlichkeit der Vergabe leiden. Demgegenüber sei der erfolglose Bieter durch die Auftragsvergabe in einer bloßen Umsatzchance, nicht in seiner persönlichen Rechtsstellung betroffen.
Fazit
Entgegen der Auffassung des österreichischen Staatsgerichtshofes, der die Zweiteilung des Vergaberechts und insbesondere des Rechtsschutzes in Österreich für verfassungswidrig gehalten hat, hat nunmehr das Bundesverfassungsgericht für Unterschwellenvergaben in Deutschland die Verweisung auf den Sekundärrechtsschutz für verfassungsgemäß erklärt. Insofern hat das Gericht einer langen Diskussion ein Ende bereitet. Zunächst jedenfalls. Denn zum einen ist zu berücksichtigen, dass die Europäische Kommission im Rahmen ihrer Mitteilung zu Unterschwellenvergaben vom 23.06.2006 insbesondere auch für den Bereich der „kleineren Aufträge“ auf einen effektiven Rechtsschutz (und damit meint sie Primärrechtsschutz) drängt. Zum anderen hat die Bundesregierung im Rahmen ihres Eckpunktebeschlusses vom 28.06.2006 angekündigt, den Rechtsschutz im Vergaberecht auf seine Effektivität hin zu überprüfen. Trotz der brisanten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes scheint daher langfristig betrachtet noch nicht das letzte Wort gesprochen. Denn letztlich könnte der nationale Gesetzgeber durch eine weitere politische Entscheidung den vergaberechtlichen Primärrechtsschutz auch auf Unterschwellenvergaben erweitern. Bislang ist es in diesem Bereich lediglich möglich, in einem Eilverfahren das zuständige Verwaltungsgericht (so z. B. OVG NRW, Beschluss vom 11.08.2006; OVG Sachsen, Beschluss vom 13.04.2006) oder das zuständige Landgericht (so z. B. OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 28.07.2006; OVG Niedersachsen, Beschluss vom 14.07.2006) anzurufen, um einen drohenden vergaberechtswidrigen Zuschlag zu unterbinden.