Konkrete Begründung für Nicht-Vorlage erforderlich
Dies hat das Bundesverfassungsgericht nicht für ausreichend angesehen und moniert, dass aus dem OLG-Beschluss nicht erkennbar werde, ob der Frankfurter Vergabesenat überhaupt eine Analyse der EuGH-Rechtsprechung vorgenommen habe. In dem angegriffenen Beschluss fänden sich zudem weder nähere Ausführungen dazu, unter welchen konkreten Gesichtspunkten die Sachverhaltsgestaltungen derart divergierten, dass hieraus auch unterschiedliche Rechtsfolgen zu ziehen seien, noch fände eine Auseinandersetzung mit möglichen, aus dieser Entscheidung in rechtlicher Hinsicht zu ziehenden Schlüssen statt. Die vom Oberlandesgericht gegebene Begründung sei daher – so die Verfassungsrichter – nicht geeignet, das Bestehen einer Vorlagepflicht in nachvollziehbarer Weise zu verneinen. Das Gericht habe deshalb seinen bei der Frage des Bestehens einer Vorlagepflicht eingeräumten Beurteilungsspielraum in unvertretbarer Weise überschritten.
In der Sache selbst hatte das Frankfurter Oberlandesgericht über Fragen der Antragsbefugnis für ein vergaberechtliches Nachprüfungsverfahren zu befinden. In dem zugrundeliegenden Sachverhalt lag die Beschwerdeführerin nach der Submission mit ihrem Hauptangebot auf Platz 2 und das Unternehmen, das letztlich den Zuschlag erhielt, auf Platz 6. In der Folgezeit teilte der Auftraggeber der Beschwerdeführerin mit, bei der Prüfung und Wertung des Angebotes sei festgestellt worden, dass in verschiedenen Positionen des Leistungsverzeichnisses wegen eines EDV-Fehlers die Mengenangaben nicht mehr eindeutig den Einheitspreisen zugeordnet werden konnten. Daher seien in der beiliegenden Ausfertigung der betreffenden Seiten des Leistungsverzeichnisses die Einheitspreise aus dem Angebot der Beschwerdeführerin den richtigen Mengenangaben zugeordnet worden. Die Beschwerdeführerin stimmte dieser Korrektur zu. Nachdem ihr der Zuschlag nicht erteilt werden sollte, stellte sie im Nachprüfungsverfahren vor der Vergabekammer fest, dass die erhebliche Verschiebung der Angebotswertung Folge der vorgenommenen Korrektur ihres Angebotes war. Bestimmte Bieter hatten die fraglichen Leistungspositionen nicht missverstanden und demgemäss niedrigere Einheitspreise angesetzt, so dass die durch die Vergabestelle vorgenommenen Korrekturen nur bei einigen Bietern, u. a. bei der Beschwerdeführerin, zum Tragen kamen.
Die von ihr erhobene Sofortige Beschwerde wies das Oberlandesgericht mit der Begründung zurück, dass es der Beschwerdeführerin an der Antragsbefugnis fehle. Sie habe nicht im Einzelnen dargestellt, inwieweit ihr ursprüngliches Angebot auch bei fehlerfreier Wertung im Vergleich zu den Angeboten der übrigen Bieter ausreichend Chancen auf den Zuschlag gehabt hätte oder aus welchen Gründen sie daran gehindert gewesen sei, ein korrigiertes Angebot abzugeben bzw. sich bei der Erstellung eines solchen Angebotes die dafür verwandte Zeit als nutzlos dargestellt hätte. Mit dem ursprünglich abgegebenen Angebot sei die Beschwerdeführerin jedenfalls ausgeschlossen.
Anforderungen an Antragsbefugnis überspannt
Das Bundesverfassungsgericht widerspricht auch insoweit dem Oberlandesgericht und befand, dass es die an Antragsbefugnis zu stellenden Anforderungen überspanne. Die in § 107 Abs. 2 GWB genannten Voraussetzungen müssen aber in einer Weise ausgelegt werden, die für die betroffenen Unternehmen einen effektiven Rechtsschutz gewährleiste. An das Vorliegen der in § 107 Abs. 2 Satz 1 und 2 GWB aufgestellten Voraussetzungen seien daher keine hohen Anforderungen zu stellen. Zudem habe die Beschwerdeführerin gerade geltend gemacht, dass durch die unklaren Ausschreibungsunterlagen ein Verstoß gegen die Chancengleichheit vorliege. Bei einer derartigen Rüge sei ein (drohender) Schadenseintritt im Sinne des § 107 Abs. 2 Satz 2 GWB ohne Weiteres dargelegt. Die vom Oberlandesgericht gestellten Anforderungen an die Darlegungslast der Beschwerdeführerin stellten demgegenüber eine übermäßige und nicht durch sachliche Gründe zu rechtfertigende Erschwerung der Rechtschutzgewährleistung dar. Hätte das Oberlandesgericht Frankfurt gegenteilig entscheiden wollen, hätte es ausgehend von seiner Rechtsauffassung dem Europäischen Gerichtshof die Frage vorliegen müssen, ob das einschlägige europäische Vergaberecht in der Weise auszulegen ist, dass einem Bieter, der die Verletzung der Chancengleichheit durch unklare und missverständliche Ausschreibungsunterlagen sowie eine unterlassene hinreichende Aufklärung durch die Vergabestelle rügt, auch dann ein Schaden entstanden ist oder zu entstehen droht und ihm daher das Nachprüfungsverfahren zur Verfügung stehen muss, wenn er im Rahmen der Beantragung des Nachprüfungsverfahrens eine Neukalkulation seines Angebotes unter Beachtung der zwischenzeitlichen Klarstellungen der Vergabestelle unterlässt.