Bedeutende inhaltliche Änderungen : "Inhouse-Geschäft"
Der Entwurf enthält dabei einige bedeutsame inhaltliche Änderungen. So werden in dem neuen § 99 Abs. 1 GWB erstmals die vergaberechtsfreien "Inhouse-Geschäfte" gesetzlich definiert. Hiernach wird die Auftragserfüllung für einen öffentlichen Auftraggeber durch eine Einheit, die vom/n öffentlichen Auftraggeber/n "beherrscht" wird, dann nicht als öffentlicher Auftrag angesehen, wenn diese Einheit zu wenigstens 80 % ihres Umsatzes für den oder die öffentlichen Auftraggeber tätig ist. Das neue Gesetz kodifiziert damit die sogenannte "Teckal"-Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs. Nach dem Schlussantrag der Generalanwältin Stix-Hackl im Verfahren C-26/03 - wir informierten hierüber in einer Sonderausgabe des Newsletters - muss jedoch bezweifelt werden, ob der Vorschlag mit dem europäischen Vergaberecht vereinbar ist. Die Generalanwältin hatte darin allen Versuchen der Vergangenheit, den abstrakten "Inhouse-Tatbestand" des Gerichtshofs näher zu konkretisieren, die Gefolgschaft verweigert. Namentlich der in der Vergangenheit im deutschen Vergaberecht anerkannten Lösung, die Tätigkeit der privaten Gesellschaft "im Wesentlichen" für den öffentlichen Auftraggeber anhand konkreter Umsatzzahlen der Gesellschaft zu bejahen, erteilt die Generalanwältin eine klare Absage. Nach ihrer Auffassung ist der Umsatz hierfür nicht allein entscheidend. Auch das federführende Bundeswirtschaftsministerium geht davon aus, dass die nunmehr von ihm vorgeschlagene "Inhouse"-Regelung ein "europarechtliches Risiko" enthalte. Sie werde nicht automatisch auf Zustimmung bei der Kommission oder beim Europäischen Gerichtshof stoßen, glaubt das Ministerium. Sie solle aber auch ein Signal in Richtung Brüssel setzen, dass man zukünftig sehr viel genauer als früher auf Kompetenzen achten und um die Vorstellungen von den eigenen Kompetenzen durchaus auch kämpfen wolle.
Kommunale Kooperationen
Unter diejenigen "Eigenleistungen" eines öffentlichen Auftraggebers, die vom Vergaberecht nicht erfasst werden, sollen nach den Vorstellungen des Ministeriums zukünftig auch Kooperationen zwischen verschiedenen Behörden, bei denen lediglich Aufgaben innerhalb des Staatsaufbaus verlagert werden (etwa Kooperationen zwischen Kommunen), anzusehen sein. Nach Auffassung des Ministeriums geht es bei derartigen Kooperationsformen der öffentlichen Hand nicht um die Beschaffung von Leistungen am Markt, sondern um Fragen der Staatsorganisation, die - so die Entwurfsbegründung - nicht unter das Vergaberecht fielen. Mit der Herausnahme kommunaler Kooperationen aus dem Anwendungsbereich des Vergaberechts stellt sich der Entwurf quer zur aktuellen Rechtsprechung des Oberlandesgerichte: In der Vergangenheit hatten sowohl der Düsseldorfer als auch der Frankfurter Vergabesenat die interkommunalen Kooperationen für ausschreibungspflichtig gehalten.
"De-facto-Vergaben"
Den sogenannten "De-facto-Vergaben", bei denen Aufträge vergaberechtswidrig ohne Ausschreibung und förmliches Verfahren vergeben werden, will der Gesetzgeber in Zukunft endgültig den Garaus machen: Nach dem neuen § 101 lit. b) Abs. 1 GWB ist ein Vertrag unter anderem dann nichtig, wenn der Auftraggeber einen öffentlichen Auftrag "direkt" an ein Unternehmen erteilt, ohne andere Unternehmen zu beteiligen und ohne dass dies aufgrund des Gesetzes gestattet ist. Die Nichtigkeit des nach einer Direktvergabe geschlossenen Vertrages soll dabei ausschließlich im Wege eines Nachprüfungsverfahrens geltend gemacht werden können. Der Gesetzesentwurf schreibt insoweit vor, dass das Nachprüfungsverfahren innerhalb von 14 Tagen ab Kenntnisnahme des Verstoßes, spätestens aber nach sechs Monaten ab Vertragsschluss durchgeführt werden muss. Letztere 6-Monats-Frist wird - wenn die Auftragsvergabe europaweit bekannt gemacht worden ist - auf einen Zeitraum von 30 Tagen nach Veröffentlichung der europaweiten Bekanntmachung reduziert.
Vorabinformation und Vergabeverfahren
Die bislang in § 13 der Vergabeverordnung (VgV) geregelte Vorabinformation unterlegener Bieter über den Ausgang des Verfahrens wird in das GWB selbst überführt. Wie bisher muss der Auftraggeber die Bieter spätestens 14 Kalendertage vor dem Vertragsschluss informieren, allerdings kann diese Frist zukünftig "in Fällen dringlicher Vergabeverfahren" auf sieben Kalendertage verkürzt werden.
Als Vergabeverfahren werden neu eingeführt der "Wettbewerbliche Dialog", die "elektronische Auktion" und ein "elektronisches Katalogverfahren". Oberhalb der Schwellenwerte werden das Offene und Nichtoffene Verfahren zukünftig gleichgestellt, unterhalb der Schwellenwerte können die öffentlichen Auftraggeber sogar frei zwischen allen Verfahrensarten wählen.
Rügepflicht wird verschärft
Auch nach dem novellierten Vergaberecht muss ein Bieter den von ihm im Vergabeverfahren erkannten Verstoß gegen das Vergaberecht "unverzüglich" rügen, zukünftig soll dies nach dem ausdrücklichen Entwurfswortlaut allerdings "spätestens innerhalb von 14 Kalendertagen" geschehen. Der Regelungsvorschlag folgt damit den Oberlandesgerichten, die diese zeitliche Höchstgrenze richterrechtlich entwickelt haben. Eine Verschärfung der Rügepflicht sieht der Gesetzesentwurf für solche Vergaberechtsverstöße vor, die aus der Leistungsbeschreibung erkennbar sind: Diese müssen spätestens 14 Kalendertage nach Erhalt der Leistungsbeschreibung gegenüber dem Auftraggeber gerügt werden.
Weitere Änderungen
Eine weitere Änderung des Entwurfs sieht vor, dass auch das Unternehmen, dem der Zuschlag erteilt werden soll, im Nachprüfungsverfahren die Vorabgestattung der Zuschlagserteilung beantragen können soll; bislang ist dies allein dem Auftraggeber gestattet. Schließlich enthält der Gesetzentwurf eine Rechtsgrundlage für das neu einzuführende Bundeskorruptionsregister sowie Modifikationen des Kostenrechts.
Weitreichende Folgen dürfte die in dem Gesetzesentwurf vorgesehene Änderung des Haushaltsrechts haben. Das Ministerium schlägt vor, im Haushaltsrecht die bislang geltende Pflicht zur Durchführung einer öffentlichen Ausschreibung durch die Pflicht zur Durchführung eines "transparenten, wettbewerblichen und diskriminierungsfreien Verfahrens" zu ersetzen. Auf diese Weise soll auch unterhalb der Schwellenwerte in Zukunft nicht mehr der Vorrang der öffentlichen Ausschreibung gelten.
Zudem soll im Haushaltsrecht eine Verordnungsermächtigung für die Vergabe von Liefer- und Dienstleistungsaufträgen unterhalb der Schwellenwerte "zur Sicherstellung transparenter, wettbewerblicher und diskriminierungsfreier Verfahren" eingeführt werden. Damit soll die neue Vergabeverordnung bundeseinheitlich für Liefer- und Dienstleistungsaufträge unterhalb der Schwellenwerte gelten können. Für die Bauaufträge soll dagegen weiterhin die - deutlich verschlankte - VOB/A gelten. Gerade letzteres war von vielen Seiten als Systembruch im neuen Vergaberecht kritisiert worden, die Fortgeltung der VOB/A - hieß es - sei nur vereinbart worden, um den zwischen Bau- und Wirtschaftsministerium ausgehandelten Kompromiss nicht zu gefährden.
Neue Vergabeverordnung
Der vom Bundeswirtschaftsministerium vorgelegte Arbeitsentwurf beinhaltet schließlich einen Vorschlag für die neue Vergabeverordnung des Bundes. Der Aufbau der Verordnung, die 70 Paragraphen enthält, orientiert sich an dem tatsächlichen Ablauf eines Vergabeverfahrens. Sie soll für alle Vergabeverfahren ab den in der Verordnung festgelegten - leicht erhöhten -Schwellenwerten gelten. Unterhalb der Schwellenwerte soll sie auf die Vergabe öffentlicher Liefer- und Dienstleistungsaufträge Anwendung finden, die nicht unterhalb einer Geringfügigkeitsgrenze von 7.500 EUR liegen. Der Verordnungsentwurf enthält darüber hinaus unter anderem ausführliche Vorschriften zur Dokumentationspflicht (Vergabevermerk) des Auftraggebers, er führt ebenfalls den "Wettbewerblichen Dialog" ein, reduziert dagegen die Regelungen zu den Vergabeunterlagen und zur Leistungsbeschreibung drastisch gegenüber der bisherigen VOB/A und VOL/A. Der Verordnungsvorschlag enthält überdies die Mindestvoraussetzungen für die Bekanntmachung der Vergabe von Liefer- und Dienstleistungsaufträgen unterhalb der Schwellenwerte und sieht u. a. vor, dass die Zuschlagsfrist während eines Nachprüfungsverfahrens gehemmt werden soll. Eignungsnachweise sollen zukünftig im Rahmen eines Zertifizierungssystems erbracht werden und öffentliche Auftraggeber dann auch Umweltmanagementsysteme wie EMAS verlangen können.
Noch ist nichts endgültig
Mit den jetzt veröffentlichten Vorschlägen des Bundeswirtschaftsministeriums ist über die endgültige Form des neuen Vergaberechts noch nichts gesagt: Bei dem Arbeitsentwurf des Bundeswirtschaftsministeriums handelt es sich um einen ersten Vorschlag, der derzeit innerhalb der Bundesressorts abgestimmt wird. Zu dem dann vorliegenden Referentenentwurf müssen zudem die Länder und die Interessensverbände angehört werden. Hiermit ist im Dezember zu rechnen. Bis Ende des Jahres soll dann ein Kabinettsbeschluss zur Novelle des Vergaberechts herbeigeführt werden. Ist Berlin sich einig, muss das neue Vergaberecht dann erst noch in Brüssel bestehen.