"Sind Beschäftigte innerhalb eines Jahres länger als sechs Wochen ununterbrochen oder wiederholt arbeitsunfähig, klärt der Arbeitgeber mit der zuständigen Interessenvertretung im Sinne des § 93, bei schwerbehinderten Menschen außerdem mit der Schwerbehindertenvertretung, mit Zustimmung und Beteiligung der betroffenen Person die Möglichkeiten, wie die Arbeitsunfähigkeit möglichst überwunden werden und mit welchen Leistungen oder Hilfen erneuter Arbeitsunfähigkeit vorgebeugt und der Arbeitsplatz erhalten werden kann (betriebliches Eingliederungsmanagement). Soweit erforderlich wird der Werk- oder Betriebsarzt hinzugezogen. Die betroffene Person oder ihr gesetzlicher Vertreter ist zuvor auf die Ziele des betrieblichen Eingliederungsmanagements sowie auf Art und Umfang der hierfür erhobenen und verwendeten Daten hinzuweisen...."
Diese Form der betrieblichen Prävention gilt somit nicht nur für schwerbehinderte und ihnen gleichgestellte Menschen, sondern auch für kranke Beschäftigte. Zukünftig besteht somit für den Arbeitgeber Handlungsbedarf, wenn Beschäftigte innerhalb der vorausgegangenen zwölf Monate mehr als sechs Wochen arbeitsunfähig erkrankt waren. Der Arbeitgeber muss dann auf den Arbeitnehmer zugehen und unter Einbindung aller Akteur e, die für die Überwindung des Problems hilfreich sein können, also auch unter Einbindung des Betriebs- bzw. Personalrates, Möglichkeiten zur Problemlösung suchen. Möglichkeiten zur Durchführung des betrieblichen Eingliederungsmanagements können in einer Integrationsvereinbarung im Sinne von § 83 Abs . 2 a Ziffer 5 SGB IX unter Beteiligung des Schwerbehindertenvertretung und des Betriebs- bzw. Personalrates geregelt werden.
Praxistipp
Im Hinblick auf die Anwendbarkeit des betrieblichen Eingliederungsmanagements auf alle Beschäftigten im Falle ihrer mehr als sechs Wochen dauernden, längerfristigen Erkrankung oder häufigen Kurzerkrankungen von zusammengerechnet entsprechender Länge ist nunmehr jeder Arbeitgeber aufgerufen, sich Gedanken um die Organisation eines betrieblichen Eingliederungsmanagements zu machen. Bislang ungeklärt ist, ob die Vorschrift nur appellativen Charakter hat oder ob ein Verstoß des Arbeitgebers gegen diese Norm auch rechtliche Nachteile für diesen mit sich bringt. Denkbar ist zumindest, dass die Arbeitsgerichte eine krankheitsbedingte Kündigung ohne die vorherige Durchführung eines betrieblichen Eingliederungsmanagements als sozial ungerechtfertigt erachten könnten, da eine Kündigung stets das äußerste Mittel ("Ultimaratio") ist, wenn alle anderen zumutbaren Möglichkeiten bereits ausgeschöpft wurden. Eine ohne Durchführung des betrieblichen Präventionsverfahrens ausgesprochene krankheitsbedingte Kündigung könnte gegen das "Ultima-ratio-Prinzip" verstoßen. Zusätzlich könnte ein solcher Verstoß gegen das vorgeschriebene betriebliche Eingliederungsmanagement-Verfahren kollektivrechtlich gegen die Unterrichtungs- und Beteiligungsrechte des Betriebs- bzw. Personalrates und der Schwerbehindertenvertretung verstoßen, zu deren Durchsetzung die Interessenvertretungen gerichtliche Hilfe in Anspruch nehmen können. Aus diesen Gründen sollte jeder Arbeitgeber vorsorglich vor Ausspruch einer krankheitsbedingten Kündigung das nach § 84 SGB IX vorgesehene Verfahren durchführen.