Unter Berufung auf das Urteil des BGH vom 08.08.2019 (VII ZR 34/18) kommt es für die Frage, ob die Mehrvergütung auf der Basis der vorkalkulatorischen Preisfortschreibung oder anhand der tatsächlich erforderlichen Kosten zzgl. angemessener Zuschläge zu ermitteln ist, darauf an, ob sich die Parteien über die Methode der Preisanpassung oder einzelne Teilelemente der Preisbildung verständigt haben. Haben die Parteien über die Vergütung für geänderte oder zusätzliche Leistungen, deren Ermittlung oder einzelne Preiselemente keine Einigung getroffen, ist die Vergütung nach den tatsächlich erforderlichen Mehr- und Minderkosten zuzüglich angemessener Zuschläge für Allgemeine Geschäftskosten sowie Wagnis und Gewinn zu ermitteln; so sieht es zumindest das OLG Köln in einem Urteil vom 03.02.2021 – 11 U 136/18 (nicht rechtskräftig, Revision BGH – Az. VII ZR 191/21).
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1. Berechnung der Mehrvergütung für Gerätestillstand bei einer Änderungsleistung
Haben die Parteien über die Vergütung für geänderte oder zusätzliche Leistungen, deren Ermittlung oder einzelne Preiselemente keine Einigung getroffen, ist die Vergütung nach den tatsächlich erforderlichen Mehr- und Minderkosten zuzüglich angemessener Zuschläge für Allgemeine Geschäftskosten sowie Wagnis und Gewinn zu ermitteln. Hält der Auftraggeber im Rahmen der Berechnung eines Nachtrags nach § 2 Abs. 5 oder 6 VOB/B eine Kostenposition schon im Grundsatz für nicht ersatzfähig (hier Kosten aufgrund der bauzeitlichen Auswirkungen auf andere Leistungspositionen), kann eine ausdrückliche oder stillschweigende Einigung der Parteien auf die Berechnung dieser Kosten regelmäßig nicht angenommen werden, OLG Köln, Urteil vom 03.02.2021 – 11 U 136/18 (nicht rechtskräftig, Revision BGH – Az. VII ZR 191/21).
Der öffentliche Auftraggeber beauftragte den Auftragnehmer mit Sanierungs- und Rückbauarbeiten. Der Auftraggeber verlangte die Beseitigung nicht beschriebener Kontaminationen, wodurch es zu einem mehrwöchigen Stillstand von zwei vorgehaltenen Kettenbaggern kam. Der Auftragnehmer verlangt hierfür 120.000 Euro, deren Bezahlung er nach Ansicht des OLG Köln gemäß § 2 Abs. 5 und 6 VOB/B dem Grunde nach verlangen kann. Die Parteien streiten über die Berechnung der Höhe der Vergütung.
Für die Frage, ob die Mehrvergütung auf der Basis der vorkalkulatorischen Preisfortschreibung oder anhand der tatsächlich erforderlichen Kosten zzgl. angemessener Zuschläge zu ermitteln sei, komme es zunächst darauf an, ob sich die Parteien über die Methode der Preisanpassung oder einzelne Teilelemente der Preisbildung verständigt hätten (BGH, Urteil vom 08.08.2019 – VII ZR 34/18). Eine generelle Einigung über den Ausgleich der Stillstandskosten in der geltend gemachten Höhe liege nicht vor. Streit bestehe schon darüber, ob diese Kosten überhaupt in Ansatz gebracht werden könnten. Aus den gleichen Gründen fehle es auch an einer Verständigung über Teilaspekte einer solchen Forderung, wozu insbesondere die anzuwendende Berechnungsmethode gehöre.
Auch ein bindendes übereinstimmendes stillschweigendes Verständnis der Parteien von den Vertragsklauseln des § 2 Abs. 5 und 6 VOB/B im Hinblick auf einen Gesamtmaßstab für die Bestimmung eines neuen Einheitspreises, etwa im Sinne einer vorkalkulatorischen Preisfortschreibung oder der tatsächlichen Mehrkosten, bestehe nicht.
Es habe von Beginn an eine prinzipielle Uneinigkeit darüber bestanden, ob Stillstandskosten überhaupt als Teil einer Mehrvergütung geltend gemacht werden könnten. Fehle es aber auf Auftraggeberseite an der Vorstellung, dass Vorhaltekosten überhaupt Gegenstand eines Anspruchs aus § 2 Abs. 5 und 6 VOB/B sein könnten, liege auch kein übereinstimmendes Verständnis über die anzuwendende Berechnungsmethode vor. In einem solchen Fall sei auch für den Anwendungsbereich des § 2 Abs. 5 und 6 VOB/B an die tatsächlich erforderlichen Kosten zuzüglich angemessener Zuschläge anzuknüpfen.
2. Die Kosten der Nachtragserstellung sind keine Mehrkosten nach § 2 Abs. 5 VOB/B
Die Kosten eines Privatgutachtens, die der Auftragnehmer zur Ermittlung der Vergütung nach § 2 Abs. 5 VOB/B aufwendet, sind nicht Teil der Mehrkosten, die der Auftraggeber zu erstatten hat. Entsprechendes gilt für die Erstattungsfähigkeit der Kosten eines Privatgutachtens, das der Auftragnehmer zur Ermittlung der Mehrvergütung in Anlehnung an die Grundsätze des § 2 Abs. 5 VOB/B aufgrund einer verzögerten Vergabe eingeholt hat, BGH, Urteil vom 22.10.2020 – VII ZR 10/17.
In einer öffentlichen Ausschreibung für den Neubau einer Straßenüberführung war als Zuschlagsfrist der 02.04.2007 vorgesehen. Die Ausführung sollte bis spätestens 31.07.2008 beendet sein. Die Bindefrist wurde mehrfach mit Zustimmung des Auftragnehmers verlängert. Am 22.07.2007 erteilte der Auftraggeber dem Auftragnehmer den Zuschlag auf sein Angebot. Nach dem angepassten Bauablaufplan war nun als Baubeginn der 27.08.2007 und als Fertigstellungstermin der 17.10.2008 vorgesehen. Wegen des aufgrund von fehlenden Genehmigungen verhängten Baustopps konnte der Auftragnehmer erst am 19.11.2007 mit der Ausführung seiner Leistungen beginnen. Der Auftragnehmer macht wegen der verzögerten Vergabe und des verhängten Baustopps Mehrvergütungsansprüche geltend und will die Kosten für ein baubetriebliches Privatgutachten erstattet haben, das er in Vorbereitung auf die Schlussrechnung und zur Ermittlung der entstandenen Mehrkosten eingeholt hat.
Der BGH verneint die Ansprüche des Auftragnehmers. Er stellt klar, dass die Kosten eines Privatgutachtens, die der Auftragnehmer zur Ermittlung der Vergütung nach § 2 Abs. 5 VOB/B aufwende, nicht vom Auftraggeber nach dieser Bestimmung als Teil der Mehrkosten zu erstatten seien. Die Kosten, die zur Ermittlung der Vergütung nach § 2 Abs. 5 VOB/B aufgewendet würden, könnten nicht selbst Gegenstand dieser Vergütung sein. Würden durch eine Änderung des Bauentwurfs oder andere Anordnungen des Auftraggebers die Grundlagen des Preises für eine im Vertrag vorgesehene Leistung geändert, regele § 2 Abs. 5 VOB/B die Verpflichtung zur Vereinbarung eines neuen Preises unter Berücksichtigung von Mehr- und Minderkosten. Das sei dahin zu verstehen, dass die Parteien bei der Vereinbarung des neuen Preises die Mehr- und Minderkosten berücksichtigen sollten, die im Zusammenhang mit der Ausführung der betroffenen vertraglich vereinbarten Leistung anfielen. Kosten, die erforderlich seien, um im Falle einer fehlenden Vereinbarung die geschuldete Vergütung erst zu ermitteln oder darzulegen, gehörten nicht hierzu.
Der Auftragnehmer könne die Kosten eines Privatgutachtens zur Ermittlung und Darlegung der nach § 2 Abs. 5 VOB/B vom Auftraggeber geschuldeten Vergütung auch nicht auf der Grundlage der Bestimmung des § 2 Abs. 9 Nr. 1 VOB/B erstattet verlangen. In einer Änderung des Bauentwurfs, einer anderen Anordnung des Auftraggebers oder in der verspäteten Zuschlagserteilung liege kein Verlangen des Auftraggebers, ein Gutachten über die Höhe der nach § 2 Abs. 5 VOB/B zu beanspruchenden Vergütung vorzulegen. Dies gelte entsprechend, soweit eine Mehrvergütung in Anlehnung an die Grundsätze des § 2 Abs. 5 VOB/B aufgrund einer verzögerten Vergabe in Betracht komme. Daher könne es dahinstehen, ob ein Baustopp in einem VOB/B-Bauvertrag einen Mehrvergütungsanspruch nach § 2 Abs. 5 VOB/B zur Folge habe, weil mit diesem eine Bauzeitänderung angeordnet werde, die als Änderung im Sinne von § 2 Abs. 5 VOB/B anzusehen sei.
3. Bei einer Aufforderung zur Mangelbeseitigung reicht die Beschreibung der Mangelsymptome
Der Auftraggeber genügt den Anforderungen an ein hinreichend bestimmtes Mängelbeseitigungsverlangen, wenn er die Erscheinungen, die er auf vertragswidrige Abweichungen zurückführt, hinlänglich deutlich beschreibt. Er ist nicht gehalten, die Mangelursachen im Einzelnen zu bezeichnen (sog. Symptomtheorie). Das gilt auch im Prozess in Bezug auf die Anforderungen an eine schlüssige Darlegung eines Mangels. Trägt der Auftraggeber vor, dass das Brüstungsblech auf der rechten Mauer der Tiefgaragenzufahrt ein Gefälle in die falsche Richtung habe, was zu Hinterfeuchtungen und Putzabsprengungen führe, und verweist er ergänzend auf näher bezeichnete Bilder im Gutachten eines Privatsachverständigen, hat er den von ihm behaupteten Mangel „falsches Gefälle der Blechabdeckung" einschließlich der hierdurch verursachten nachteiligen Folgen hinreichend deutlich beschrieben. Weitere Angaben dazu, welcher Art das Gefälle sei und wie es bei fachgerechter Ausführung konkret sein müsste, sind für die schlüssige Darlegung des Mangels ebenso wenig erforderlich wie dessen Erkennbarkeit für das Gericht auf den in Bezug genommenen Bildern, so der BGH, Beschluss vom 04.11.2020 – VII ZR 261/18.
Ein Bauträger wird von der Wohnungseigentümergemeinschaft (WEG) auf Beseitigung mehrerer Baumängel in Anspruch genommen. Einen der strittigen Mängel beschreibt die WEG damit, dass das Brüstungsblech auf der rechten Mauer der Tiefgaragenzufahrt ein Gefälle in die falsche Richtung habe, was zu Durchfeuchtungen führe. Diese Art der Beschreibungen hielten die Vorinstanzen Landgericht und Oberlandesgericht für unzureichend. Erforderlich seien Angaben, welcher Art das Gefälle sei und wie das Gefälle (richtigerweise) sein müsste, was der vertraglich geschuldete Maßstab sei und welche konkreten Mangelfolgen sich ergäben. Sie wiesen die Klage daher insoweit ohne Beweisaufnahme als unschlüssig ab.
Der BGH gab nun der Nichtzulassungsbeschwerde der WEG statt. LG und OLG hätten die Substantiierungsanforderungen „offenkundig überspannt" und es dadurch versäumt, den Sachvortrag der WEG zur Kenntnis zu nehmen und die angebotenen Beweise zu erheben. Die Urteile der Vorinstanzen verletzten damit den Anspruch der WEG auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG). Nach ständiger Rechtsprechung des BGH sei ein werkvertraglicher Mangelanspruch schlüssig dargelegt, wenn die (mit bloßem Auge sichtbaren) Mangelerscheinungen hinlänglich deutlich beschrieben würden (sog. Symptomtheorie). Die Mangelursache müsse nicht benannt werden. Ebenso erübrigten sich Angaben, wie eine fachgerechte Bauausführung aussehen müsse.
4. Mündlicher Bedenkenhinweis an den Bauleiter des Auftraggebers reicht für einen Haftungsausschluss
Hat der Auftragnehmer rechtzeitig Bedenken angemeldet, haftet er nicht für eine Abweichung der Ausführung von den anerkannten Regeln der Technik. Es ist ausreichend, wenn die Bedenkenanzeige gegenüber dem Bauleiter des Auftraggebers erfolgt. Etwas anderes gilt nur, wenn sich der Bauleiter den Bedenken verschließt. Auch bei einem VOB-Vertrag genügt ein mündlicher Bedenkenhinweis, wenn er eindeutig, d. h. inhaltlich klar, vollständig und erschöpfend ist. Entscheidend ist, dass eine ausreichende Warnung erfolgt. Ein Bedenkenhinweis im Baustellenprotokoll ist ein Urkundsbeweis, OLG Jena, Urteil vom 09.01.2020 – 8 U 176/19.
Der Auftragnehmer wurde mit der Herstellung von Wärmedämmverbundsystemen (WDVS) für ein Bauvorhaben beauftragt. Nach Meinungsverschiedenheiten kündigte der Auftraggeber den Vertrag und zahlte unter Berufung auf Mängel am WDVS nur einen Teil der vom Auftragnehmer geltend gemachten Vergütung. Vor Anbringung des WDVS hatte der Auftragnehmer den Bauleiter des Auftraggebers darauf hingewiesen, dass die Ausführungen nicht den anerkannten Regeln der Technik entsprächen. Der Bauleiter ordnete daraufhin an, die Arbeiten fortzusetzen. In einem vom Bauleiter des Auftraggebers unterzeichneten Baustellenprotokoll heißt es: „Die Firma D wird hiermit von allen Gewährleistungs- und Schadensersatzansprüchen bezüglich der WDVS-Arbeiten freigestellt. Dem Auftraggeber (AG) ist bekannt, dass die angewiesene Ausführung nicht den allgemein anerkannten Regeln der Technik entspricht". Die Behauptung des Auftraggebers, dieser Zusatz im Baustellenprotokoll sei erst nach Unterzeichnung durch den Bauleiter eingefügt worden, blieb unbewiesen.
Das OLG Jena gab der Zahlungsklage des Auftragnehmers statt. Der Auftragnehmer habe gegenüber dem Bauleiter des Auftraggebers Bedenken angemeldet und sich dadurch von der Haftung gemäß § 13 Abs. 3 VOB/B befreit. Ein vom Auftraggeber eingesetzter Bauleiter sei berechtigt, die für die Abwicklung des Bauvorhabens notwendigen Erklärungen des Auftragnehmers, wie Bedenken, Hinweise und Anzeigen für den Auftraggeber entgegenzunehmen. Das gelte unabhängig von der Frage der Befugnis zur rechtsgeschäftlichen Vertretung des Auftraggebers. Nur dann, wenn sich der Bauleiter den Bedenken verschließe, gelte das nicht. Das sei aber vorliegend nicht der Fall gewesen. Der Schriftform nach § 4 Abs. 3 VOB/B werde durch den Vermerk des Bedenkenhinweises in dem Baustellenprotokoll genügt. Durch die Vorlage des Protokolls werde der Urkundsbeweis für die Anzeige geführt. Im Übrigen genüge trotz des Schriftformerfordernisses von § 4 Abs. 3 VOB/B auch ein mündlicher Hinweis, wenn er inhaltlich klar, vollständig und erschöpfend sei und so eine ausreichende Warnung erfolgt sei.
5. Vergütung für erbrachte Leistungen nach Kündigung
Zu den nach vorzeitiger Beendigung eines Bauvertrags zu vergütenden „erbrachten Leistungen" gehören nur diejenigen Arbeiten, die sich zum Zeitpunkt der Kündigung im Bauwerk verkörpern bzw. die schon in das „Werk" eingeflossen sind. Für die Annahme einer erbrachten Leistung genügt es nicht, dass dem Unternehmer ein entsprechender Aufwand entstanden ist. Hierfür ist vielmehr erforderlich, dass der Besteller den mit dem Vertrag geschuldeten Werkerfolg zumindest teilweise erhalten hat. Für Planungen, die keine eigenständige Leistung darstellen und deren Vergütung in die Baupreise eingerechnet ist, kann der Unternehmer keine Vergütung verlangen, wenn die Bauleistung selbst nicht ausgeführt worden ist. Das gilt auch für ein sog. Pflichtenheft, das die technischen Anforderungen und Spezifika der zu erbringenden Leistung enthält, OLG Köln, Urteil vom 17.03.2021 – 11 U 281/19.
Der Auftragnehmer wurde mit der Errichtung einer „Fahrstreifensignalisierungsanlage" beauftragt. Der Vertrag sah u. a. die Erstellung eines sog. Pflichtenhefts vor, das die technischen Anforderungen und Spezifika der zu erbringenden Leistung enthielt. Nach Meinungsverschiedenheiten über die Ausgestaltung des Pflichtenhefts kündigten beide Parteien den Vertrag aus wichtigem Grund. Auf Klage des Auftragnehmers verurteilte das Landgericht den Auftraggeber teilweise zur Zahlung von Werklohn für erbrachte Leistungen. Der Auftraggeber ging in Berufung.
Das OLG Köln gab ihm im Ergebnis Recht. Der Auftraggeber habe den Vertrag wirksam aus wichtigem Grund gekündigt. Der Auftragnehmer sei folglich verpflichtet, seinen Werklohn für die erbrachten Leistungen nachvollziehbar abzurechnen. Hierzu gehörten nur die Arbeiten, die sich bereits im Bauwerk verkörpert hätten; nicht dagegen Leistungen, die zwar schon hergestellt/geliefert, aber noch nicht eingebaut seien, wie Planungsleistungen, deren Vergütung in die Baupreise einberechnet seien, soweit die Bauleistung selbst noch nicht erbracht sei. Der Auftragnehmer habe nicht substantiiert dargelegt, dass bereits Bauleistungen erbracht worden seien, die in das Werk eingeflossen seien. Erforderlich sei, dass der Auftraggeber den geschuldeten Werkerfolg zumindest teilweise erhalten habe. Bei den erbrachten Leistungen handele es sich im Wesentlichen um Vorbereitungen für die eigentliche Bauleistung. Dem Auftragnehmer stehe auch kein Werklohn für das Pflichtenheft zu. Die Herstellung des Pflichtenhefts stelle vorliegend nur eine Vorbereitungshandlung- als unselbstständige Planungsleistung - zur eigentlichen Bauleistung dar. Diese sei vom Auftragnehmer jedoch nicht realisiert worden. Für die Annahme einer erbrachten Leistung genüge nicht, dass dem Auftragnehmer bereits ein Aufwand entstanden sei.
6. Verjährungsbeginn des Anspruchs auf Bauhandwerkersicherheit nicht vor Sicherungsverlangen
Die Verjährungsfrist des Anspruchs auf Stellung einer Bauhandwerkersicherung nach § 648a Abs. 1 Satz 1 BGB i.d.F. vom 23.10.2008 (jetzt § 650f Abs. 1 Satz 1 BGB) beginnt nicht vor dem Verlangen des Unternehmers nach Sicherheit, BGH, Urteil vom 25.03.2021 – VII ZR 94/20.
Nach Abnahme seiner Rohbauleistungen im Juli 2014 legte der Bauunternehmer seine Schlussrechnung vor. Der Bauherr kürzte die Schlussrechnung wegen Mängeln der Leistung. Daraufhin erhob der Bauunternehmer 2015 Klage auf Restwerklohn. Dieser Rechtsstreit ist noch nicht entschieden. Im September 2018 forderte der Bauunternehmer den Bauherrn auf, Sicherheit i.H.v. 88.000 Euro zu stellen. Im Oktober 2018 klagte er auf die Sicherheit. Das Landgericht wies die Klage wegen Verjährung ab. Das OLG teilte diese Auffassung nicht und verurteilte den Bauherrn zur Sicherheitsleistung. Das Urteil des OLG hielt einer Überprüfung durch den BGH stand.
Der Anspruch auf Sicherheitsleistung gemäß § 648a BGB a.F. sei nicht verjährt. Der Anspruch auf Sicherheitsleistung sei ein verhaltener Anspruch. Kennzeichnend für einen verhaltenen Anspruch sei, dass der Schuldner die Leistung nicht bewirken dürfe, bevor der Gläubiger sie verlangt habe. Verlange der Unternehmer eine Sicherheit gemäß § 648a BGB a.F., müsse er dem Besteller die hierfür entstehenden Kosten bis zu einem Höchstsatz von 2% erstatten. Der Besteller dürfe dem Unternehmer die Sicherheit daher nicht „aufdrängen"; allein der Unternehmer entscheide, ob er die Sicherheit fordere.
Weiteres Merkmal sei, dass die Entstehung des Anspruchs und das Verlangen des Gläubigers nach Leistung zeitlich auseinanderfallen (könnten), weswegen – abstrakt – die Gefahr einer als unbillig empfundenen Anspruchsverjährung bestehe. Beides treffe auf den Anspruch gemäß § 648a BGB a.F. zu. Zwar sei der Anspruch auf Sicherheitsleistung bereits mit Abschluss des Rohbauvertrags im Jahr 2013 entstanden und nach den §§ 195, 199 Abs. 1 BGB sei danach Verjährung am 31.12.2016 eingetreten.
Es sei aber unbillig, für die Verjährung auf die Entstehung des Anspruchs abzustellen. Denn der Unternehmer könne erst durch nachträgliche Entwicklungen (Verschlechterung der Bonität des Bestellers, Belastung des Vertragsverhältnisses durch Streitigkeiten) dazu veranlasst werden, eine Sicherheit zu fordern. Deren Verjährungsfrist beginne mit dem Erfüllungsverlangen. Der Verjährungsbeginn erst Ende des Jahres (Ultimo-Verjährung) treffe auf verhaltene Ansprüche entgegen der Auffassung des OLG nicht zu.
7. Ein Verstoß gegen EnEV ist ein Verstoß gegen anerkannte Regeln der Technik
Ein Verstoß gegen die Vorgaben der Energieeinsparverordnung (EnEV) stellt gleichzeitig einen Verstoß gegen die anerkannten Regeln der Technik dar. Die Nachbesserung kann nicht wegen hoher Kosten verweigert werden, wenn die Funktionsfähigkeit des Werks spürbar beeinträchtigt ist, OLG Stuttgart, Urteil vom 30.04.2020 – 13 U 261/18; BGH, Beschluss vom 16.12.2020 – VII ZR 77/20 (Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen).
Ein Bauträger errichtete ein Wohn- und Geschäftshaus und veräußerte die Wohnungen im Rahmen von Bauträgerverträgen. Der Erwerber einer Eigentumswohnung beanstandete gegenüber dem Bauträger, dass in der von ihm erworbenen Eigentumswohnung einzelne Räume keine eigenen Heizschlangen der Fußbodenheizungen hätten, sondern nur Anbindeleitungen zu den übrigen Heizkreisen und die Heizung für diese Räume nicht gesondert regelbar sei. In der Baubeschreibung sei es anders vereinbart worden. Auch legte der Erwerber ein Sachverständigengutachten vor, demzufolge die Tatsache, dass einige Räume nicht über einen regelbaren Heizkreislauf verfügten, gegen die Kleinraumregelung der EnEV 2013 und damit gegen die anerkannten Regeln der Technik verstießen. Der Erwerber verlangt vom Bauträger Aufwendungsersatz zur vertragsgemäßen Herstellung des Werks.
Nach Auffassung des OLG Stuttgart hat der Erwerber einen Anspruch auf Aufwendungsersatz gegen den Bauträger. Dieser sei bereits aufgrund der eindeutigen Baubeschreibung verpflichtet, die Heizanlage so herzustellen, dass in sämtlichen Räumen die Temperatur regulierbar sei. Die Leistung sei aber unabhängig davon auch deshalb als mangelhaft zu bewerten, weil der Umstand, dass in Räumen, in denen eine Beheizung stattfinden könne, keine Regulierungsmöglichkeit hinsichtlich der Temperatur vorhanden sei, gegen § 14 Abs. 2 EnEV verstoße, die anerkannte Regeln der Technik enthalte. Unter den gegebenen Umständen eigne sich die vorhandene Ausführung der Fußbodenheizung darüber hinaus auch nicht für die gewöhnliche Verwendung zu Wohnzwecken und weise daher auch nicht eine Beschaffenheit auf, die bei Werken gleicher Art erwartet werden könne.
8. Der Bauüberwacher erhält mehr Honorar bei einer verlängerten Bauzeit
Gehen der Auftraggeber und der mit der örtlichen Bauüberwachung beauftragte Ingenieur bei Vertragsschluss davon aus, dass die Sanierung einer Deponie trotz Kampfmittelverdachts innerhalb eines Zeitraums von neun Monaten abgeschlossen sein wird, kann der Ingenieur eine Anpassung des vereinbarten Pauschalhonorars verlangen, wenn vorgefundene Kampfmittel eine Umstellung des Sanierungskonzepts erfordern und sich der Zeitraum auf 21 Monate verlängert. Der Ingenieur muss seinen Mehraufwand nicht konkret darlegen, weil das Honorar grundsätzlich aufwandsneutral ist. Die Höhe der Mehrvergütung kann vom Gericht geschätzt werden (§ 287 ZPO), hier: Dreisatzberechnung, OLG Dresden, Urteil vom 06.09.2018 – 10 U 101/18; BGH, Beschluss vom 29.07.2020 – VII ZR 201/18 (Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen).
Eine Gemeinde schloss mit einem Ingenieurbüro einen Vertrag über die örtliche Bauüberwachung und die ökologische Baubegleitung der Sanierung einer Deponie zu einem Pauschalpreis von 30.000 Euro netto bei einer angenommenen Bauzeit von neun Monaten. Das Ingenieurbüro empfahl nach einem Ortstermin und Durchsicht der übergebenen Unterlagen eine genauere Kampfmitteluntersuchung. Bei der Kampfmitteluntersuchung wurden in erheblichem Umfang Signalmunition, Nebelkörper und Granaten gefunden, wodurch der Einsatz von gepanzerten Baufahrzeugen und einer Reihe weiterer Änderungen der Bauausführung erforderlich wurden. Die Bauzeit verlängerte sich von neun auf einundzwanzig Monate. Das Ingenieurbüro erhob Klage auf zusätzliche Vergütung, nachdem die Gemeinde den Anspruch abgelehnt hatte.
Das OLG Dresden erkennt einen Anspruch auf Erhöhung des Honorars auf der Grundlage von § 313 BGB (Störung der Geschäftsgrundlage) an. Dem Ingenieurbüro sei es nicht zumutbar, am unveränderten Vertrag festgehalten zu werden, da sich die Umstände, die zur Grundlage des Vertrags geworden seien, schwerwiegend geändert hätten. Übereinstimmend seien die Parteien davon ausgegangen, dass trotz des allseits bekannten Verdachts auf Kampfmittel keine besondere Gefahrenvorsorge erforderlich sei und die Deponie innerhalb von neun Monaten habe saniert werden können. Diese Annahme habe sich als unzutreffend erwiesen. Das Sanierungskonzept habe aufgrund der vorgefundenen Kampfmittel einer Umstellung bedurft, was zu der Verlängerung der Bauzeit geführt habe. Darin liege eine Störung des Äquivalenzprinzips, die nicht allein in den Risikobereich des Ingenieurbüros falle. Da die Honorare der Ingenieure grundsätzlich aufwandsneutral seien, habe das Ingenieurbüro den konkreten Mehraufwand nicht darlegen müssen. Das OLG schätzt das neue Honorar nach § 287 ZPO im Wege einer Dreisatzberechnung: 21 Monate zu 9 Monate = Faktor 2,33 für die Vergütung.
9. Überwachung des Fachplaners durch den bauüberwachenden Architekten
Gesundheitliche Aspekte (hier: gesundheitsgefährdende Verschmutzungen) können dazu führen, dass eine Überwachungsbedürftigkeit beim Ineinandersetzen von Kellergeschoss-Rohren in Muffenverbindungen anzunehmen ist, obwohl es sich um eine handwerkliche Selbstverständlichkeit handelt. In der Leistungsphase 8 hat der Architekt im Rahmen seiner Koordinierungspflicht nachzuprüfen, ob der Fachplaner seinen Pflichten zur Bauüberwachung tatsächlich nachkommt bzw. nachgekommen ist, OLG Hamm, Beschluss vom 16.03.2021 – 24 U 101/20.
Der Architekt wurde u.a. mit der Objektüberwachung (Leistungsphase 8) beauftragt. In einem Kellerraum befand sich die Be- und Entlüftungsanlage für den Wintergarten. Mit der Planung der Lüftungsanlage einschließlich der Bauüberwachung wurde ein TGA-Fachplaner beauftragt. Die Ansaugrohre führte das Rohbauunternehmen gemäß Planung mit KG-Rohren aus. Der gerichtliche Sachverständige stellte fest, dass Ausführungsfehler vorlagen. Es fanden sich im erdverlegten Teil verschobene Verbindungen, sichtbar verschobene Dichtringe und Abplatzungen des Rohrmaterials. Der Architekt begehrt restliches Architektenhonorar. Der Auftraggeber macht im Wege der Widerklage Ansprüche wegen Planungs- und Überwachungsfehlern des Architekten geltend.
Das OLG Hamm gab dem Auftraggeber Recht. Zwar könne es sein, dass es sich beim Ineinandersetzen der Rohre in Muffenverbindungen um eine handwerkliche Selbstverständlichkeit handele, eine fehlerhafte Verlegung und Verbindung der Rohre könne aber zu gesundheitsgefährdenden Verschmutzungen führen. Ob dieser gesundheitliche Aspekt genüge, um eine besondere Überwachungspflicht anzunehmen, bedürfe noch weiterer sachverständiger Feststellungen. Wäre unter gesundheitlichen Aspekten eine Überwachungsbedürftigkeit anzunehmen, wäre der Architekt seiner Pflicht zur Überwachung nicht nachgekommen. Dem Architekten obliege die Koordinierungspflicht aller am Bau beteiligten Fachingenieure. Der Architekt habe im Rahmen seiner Koordinierungspflicht nachprüfen müssen, ob der TGA-Fachplaner seinen Pflichten tatsächlich nachkomme bzw. nachgekommen sei. Der Architekt habe dafür zu sorgen gehabt, dass der TGA-Fachplaner den Rohbauer bei der – unterstellt aus gesundheitlichen Gründen sensiblen – Erstellung der Be- und Entlüftungsrohre überwache und dessen Leistungen in technischer Hinsicht überprüfe. Insbesondere bei Leistungen, die durch den nachfolgenden Bauablauf verdeckt würden, sei es notwendig, rechtzeitig die Leistungen zu prüfen.