Nachdem der zunächst veröffentlichte Referentenentwurf zur AÜG-Reform auf massiven Widerstand gestoßen war, hat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales am 17.02.2016 eine überarbeitete Fassung vorgelegt. Sollten die gesetzlichen Neuregelungen wie geplant in Kraft treten, müssen sich Unternehmen ab dem 01.01.2017 auf einschneidende Änderungen gefasst machen:
Höchstüberlassungsdauer von 18 Monaten
Wie im Koalitionsvertrag vereinbart, soll eine Höchstüberlassungsdauer von 18 Monaten gesetzlich festgeschrieben werden. Nach der geplanten Neuregelung darf ein Leiharbeitnehmer künftig nicht mehr länger als 18 aufeinanderfolgende Monate bei demselben Entleiher eingesetzt werden. Wichtig ist insoweit, dass die geplante Neuregelung ausdrücklich arbeitnehmerbezogen formuliert ist. Anknüpfungspunkt ist also allein die Person des einzelnen Leiharbeitnehmers, nicht der betriebliche Arbeitsplatz als solcher. Längere Einsatzzeiten sind somit auch durch spätere Versetzung des Leiharbeitnehmers nicht zu erreichen.
Frühere Einsätze eines Leiharbeitnehmers werden auf die zulässige Höchstüberlassungsdauer angerechnet, wenn die Unterbrechungsdauer weniger als sechs Monate beträgt. Unerheblich ist dabei, ob die Überlassung jeweils durch denselben oder einen anderen Entleiher erfolgt. Eine Anrechnung von Überlassungszeiten vor Inkrafttreten der gesetzlichen Neuerungen ist jedoch nicht geplant.
Zulässige Abweichungen
In Tarifverträgen der Einsatzbranche oder Betriebsvereinbarungen, die aufgrund eines solchen Tarifvertrages geschlossen werden, können längere Einsatzzeiten vereinbart werden. Nichttarifgebundene Unternehmen haben die Möglichkeit, tarifvertragliche Abweichungen durch inhaltsgleiche Betriebsvereinbarung zu übernehmen. Enthält der Tarifvertrag eine Öffnungsklausel, wonach eine abweichende Höchstdauer durch Betriebsvereinbarung geregelt werden kann, können nichttarifgebundene Arbeitgeber hiervon ebenfalls Gebrauch machen. Die zulässige Abweichung ist dann allerdings auf eine Überlassungshöchstdauer von maximal 24 Monaten begrenzt.
Folgen bei Überschreitung der zulässigen Höchstdauer
Das BAG hat es bislang stets abgelehnt, bei einer nicht nur „vorübergehenden“ Überlassung ein Arbeitsverhältnis zwischen Leiharbeitnehmer und Entleiher anzunehmen. Der aktuelle Gesetzesentwurf sieht dies jetzt jedoch ausdrücklich vor. Künftig soll bei Überschreitung der zulässigen Höchstüberlassungsdauer also automatisch ein Arbeitsverhältnis mit dem Einsatzunternehmen zustande kommen. Der Leiharbeitnehmer hat allerdings das Recht, dem Arbeitgeberwechsel zu widersprechen und sein Vertragsverhältnis mit dem Verleiher fortzusetzen.
Equal Pay zwingend ab einer Einsatzdauer von 9 Monaten
Leiharbeitnehmer müssen spätestens nach neun Monaten denselben Lohn wie vergleichbare Stammarbeitnehmer des Entleihers erhalten. Ausnahmen gelten nur für Branchenzuschlagstarifverträge, die eine stufenweise Heranführung des Arbeitsentgelts an das Vergütungsniveau im Entleiherbetrieb regeln. Spätestens nach 15 Monaten muss aber auch hier die Gleichstellung mit der Stammbelegschaft erreicht sein.
Kein Einsatz von Leiharbeitnehmern als Streikbrecher
Das bislang in § 11 Abs. 5 AÜG geregelte Leistungsverweigerungsrecht des Leiharbeitnehmers für den Fall des Streiks wird nach dem Gesetzesentwurf künftig durch ein umfassendes gesetzliches Beschäftigungsverbot ersetzt. Anders als bislang kann der Leiharbeitnehmer also nicht mehr frei darüber entscheiden, ob er in einem von Arbeitskampf betroffenen Entleiherbetrieb tätig wird oder nicht. Ein solcher Einsatz des Leiharbeitnehmers wird nach der geplanten Neuregelung zwingend untersagt.
Berücksichtigung bei Schwellenwerten der Mitbestimmung
Bei der Berechnung mitbestimmungsrelevanter Schwellenwerte werden Leiharbeitnehmer künftig immer zu berücksichtigen sein. Die gilt nicht nur für die betriebsverfassungsrechtliche Mitbestimmung, sondern betrifft sämtliche Schwellenwerte der Unternehmensmitbestimmung.
Verbot der Kettenüberlassung
Der Referentenentwurf beschränkt die zulässige Überlassung auf eigene Arbeitnehmer des Verleihers. Eine sogenannte „Kettenüberlassung“ von Mitarbeitern, z. B. über eine Beauftragung von Subunternehmen, ist künftig also ausdrücklich verboten.
Ausschluss „verdeckter Arbeitnehmerüberlassung“ – Sanktionierung von Scheinverträgen
Bislang hängt die Zulässigkeit der Arbeitnehmerüberlassung ausschließlich davon ab, ob der Verleiher über eine gültige Erlaubnis zur Überlassung verfügt oder nicht. Dies wird sich nach der vorgesehenen Neuregelung drastisch ändern. Eine zulässige Arbeitnehmerüberlassung wird künftig nur noch dann anzuerkennen sein, wenn die Überlassung von den Parteien vertraglich auch ausdrücklich als solche bezeichnet wurde. Bei Abschluss sog. Scheinverträge kann das Zustandekommen eines Arbeitsverhältnisses zwischen Leiharbeitnehmer und Entleiher also auch durch den Besitz einer „Vorratserlaubnis“ künftig nicht mehr verhindert werden.
Verfahrensstand und Praxishinweise für Arbeitgeber
Auch die überarbeitete Entwurfsfassung wird nach wie vor kritisch diskutiert. Ob und in welcher Form die gesetzlichen Änderungen tatsächlich wie geplant zum 01.01.2017 in Kraft treten können, bleibt abzuwarten.
Unabhängig davon, wann die geplanten Regelungen letztlich wirksam werden, sind Arbeitgeber jedoch gut beraten, sich mit den neuen Anforderungen möglichst frühzeitig auseinanderzusetzen und damit verbundenen Änderungsbedarf kritisch zu prüfen. Hierbei wird es vor allem darauf ankommen, bestehende Vertragsverhältnisse genau unter die Lupe zu nehmen und diese bei Bedarf rechtzeitig anzupassen.
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