In den letzten zwei Wochen hat der Gesetzgeber auch im Arbeitsrecht mit zahlreichen Maßnahmen auf die Coronavirus-Pandemie reagiert. Die wichtigsten Neuerungen werden im Folgenden zusammengefasst dargestellt.
1. Leichterer Zugang zum Kurzarbeitergeld
Im Eilverfahren hat der Gesetzgeber am 13.03.2020 die gesetzlichen (Ermächtigungs-)Grundlagen in § 109 Abs. 5 SGB III und § 11 a AÜG geschaffen, mit der für die derzeitige Ausnahmesituation durch Rechtsverordnung Abweichungen von den allgemeinen Regeln und Voraussetzungen für das Kurzarbeitergeld festgelegt werden können. Die entsprechende Kurzarbeitergeldverordnung (KugV) wurde am 25.03.2020 beschlossen; die in ihr getroffenen – nachfolgend dargestellten – Regelungen gelten rückwirkend seit dem 01.03.2020 und befristet bis zum 31.12.2020.
Für das Vorliegen eines erheblichen Arbeitsausfalls ist danach u.a. „nur noch“ erforderlich, dass mindestens zehn Prozent (anstatt der grundsätzlich maßgeblichen Größenordnung von einem Drittel) der Beschäftigten von einem Entgeltausfall von jeweils mehr als zehn Prozent ihres monatlichen Bruttoentgelts betroffen sind. Zudem wird vor Zahlung des Kurzarbeitergeldes auf den Aufbau negativer Arbeitszeitsalden verzichtet und die vom Arbeitgeber allein zu tragenden Sozialversicherungsbeiträge werden auf Antrag in pauschalierter Form vollständig von der Bundesagentur für Arbeit erstattet. Schließlich wurde die Möglichkeit eröffnet, dass auch Leiharbeitnehmer Kurzarbeitergeld beziehen können, wenn ihr Vertragsarbeitgeber Kurzarbeit anordnet.
Hinsichtlich der Voraussetzungen für den Bezug von Kurzarbeitergeld sieht auch eine Weisung der Bundesagentur für Arbeit vom 30.03.2020 – befristet bis zum 31.12.2020 – Erleichterungen vor. So soll die Agentur für Arbeit bis zum 31.12.2020 davon absehen, die Einbringung von Erholungsurlaub aus dem laufenden Urlaubsjahr zur Vermeidung von Kurzarbeit einzufordern. Die vom Arbeitgeber auszufüllenden Formulare für die Anzeige des Arbeitsausfalls und die Beantragung von Kurzarbeitergeld wurden nach Maßgabe der Weisung aktualisiert und insgesamt verschlankt.
2. Keine Anrechnung des Entgelts aus während Kurzarbeit aufgenommener Beschäftigung in systemrelevanten Branchen / Berufen
Grundsätzlich muss sich ein Arbeitnehmer während des Bezuges von Kurzarbeitergeld anrechnen lassen, wenn er während dieser Phase eine weitere Beschäftigung aufnimmt und hieraus Einnahmen erzielt. Diese Einnahmen werden dann dem Ist-Entgelt zugerechnet, so dass sich die Nettoentgeltdifferenz als Ausgangspunkt für die Berechnung des Kurzarbeitergeldes reduziert.
Von diesem Grundsatz macht das „Gesetz für den erleichterten Zugang zu sozialer Sicherung und zum Einsatz und zur Absicherung sozialer Dienstleister aufgrund des Coronavirus SARS-CoV-2“ (Sozialschutz-Paket) mit der Einführung des § 421c SGB III eine wichtige Ausnahme. In der Zeit vom 01.04.2020 bis 31.10.2020 soll eine Anrechnung unterbleiben, wenn die aufgenommene Beschäftigung in „systemrelevanten Branchen und Berufen“ erfolgt. Hierdurch soll ein finanzieller Anreiz geschaffen werden, gerade diese systemrelevanten Bereiche durch Aufnahme einer Beschäftigung zu unterstützen.
Zu den systemrelevanten Branchen und Berufen gehören nach der Gesetzesbegründung insbesondere die Ordnungs- und Sicherheitsbehörden, die Energie- und Wasserversorger, der Transport- und Personenverkehr, das Gesundheitswesen sowie die Land- und Ernährungswirtschaft.
3. Erleichterungen beim Ausstellen von Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen
Aufgrund einer Einigung der kassenärztlichen Bundesvereinigung mit dem GKV-Spitzenverband können Vertragsärzte ihren Patienten seit dem 23.03.2020 bei leichten Erkrankungen der oberen Atemwege für einen Zeitraum von bis zu vierzehn Tagen nach telefonischer Rücksprache eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung erteilen. Auch solchen Patienten, bei denen ein (Corona-)Infektionsverdacht besteht, können Ärzte – bei Bestehen der genannten Symptome – auf diesem Wege eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ausstellen. Die Regelung soll eine Ausbreitung des Virus reduzieren und gilt bis zum 23.06.2020.
4. Ausweitung der Zeitgrenzen für geringfügige Beschäftigung
Mit dem Sozialschutz-Paket wurden zudem die Zeitgrenzen für die geringfügige Beschäftigung in Form der kurzfristigen Beschäftigung für den Zeitraum vom 01.03.2020 bis zum 31.10.2020 auf eine Höchstdauer von fünf Monaten oder 115 Arbeitstagen (statt drei Monate oder 70 Arbeitstage) ausgeweitet (vgl. § 115 SGB IV). Diese Regelung soll durch die Corona-Krise bedingten Problemen bei der Saisonarbeit, insbesondere im Bereich der Landwirtschaft, Rechnung tragen. Da aktuell aufgrund der Coronavirus-Pandemie Saisonarbeitskräfte aus dem Ausland nicht nach Deutschland einreisen dürfen, ist der Bedarf an einem möglichst langen Einsatz bereits beschäftigter Saisonarbeitskräfte erheblich.
5. Ermächtigungsgrundlage für Ausnahmen vom ArbZG
Mit dem Sozialschutz-Paket wurde in § 14 Abs. 4 ArbZG eine Verordnungsermächtigung eingeführt, aufgrund derer das Bundesministerium für Arbeit und Soziales im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Gesundheit eine Rechtsverordnung erlassen kann, mit der für bestimmte Tätigkeiten (die zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, des Gesundheitswesens und der pflegerischen Versorgung, der Daseinsvorsorge oder zur Versorgung der Bevölkerung mit existenziellen Gütern notwendig sind) zeitlich befristet – über die bestehenden gesetzlichen und tarifvertraglichen Ausnahmeregelungen hinaus – weitreichende Ausnahmen von Arbeitszeitregelungen zugelassen werden können. Eine entsprechende Verordnung liegt bislang noch nicht vor, sie kann jedoch nach der erfolgten gesetzgeberischen Vorarbeit jederzeit kurzfristig erlassen werden.
6. Entschädigungsanspruch bei notwendiger Betreuung von Kindern aufgrund von Kita- / Schulschließungen
Mit dem „Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite“ wurde eine Änderung des Infektionsschutzgesetzes zur finanziellen Entlastung von Eltern vorgenommen, die aufgrund von Kita-/Schulschließungen ihre Kinder selbst betreuen müssen und deshalb einen Verdienstausfall erleiden.
Erwerbstätige Sorgeberechtigte haben nach § 56 Abs. 1a, Abs. 2 IfSG einen Entschädigungsanspruch, wenn eine Kita oder Schule – was derzeit bundesweit überall der Fall ist – zur Verhinderung der Verbreitung von Infektionen oder übertragbaren Krankheiten vorübergehend geschlossen wird und die Erwerbstätigen die Kinder daher selbst betreuen müssen. Voraussetzung für den Anspruch ist zunächst, dass das zu betreuende Kind das zwölfte Lebensjahr noch nicht vollendet hat oder behindert und auf Hilfe angewiesen ist. Voraussetzung ist zudem, dass eine anderweitige zumutbare Betreuungsmöglichkeit nicht vorhanden ist – dies ist auf Verlangen der zuständigen Behörde und/oder des Arbeitgebers nachzuweisen. Eine faktisch mögliche Betreuung durch Mitglieder, die einer Risikogruppe angehören (wie etwa Großeltern), ist nach der Gesetzesbegründung unzumutbar und wird daher nicht berücksichtigt.
Die Höhe des Entschädigungsanspruchs beläuft sich auf 67 Prozent des Netto-Verdienstausfalls (maximal aber 2.016,00 Euro pro Monat) und wird für sechs Wochen gewährt. Während der Schulferienzeiten besteht kein Entschädigungsanspruch. Die Auszahlung der Entschädigung erfolgt durch den Arbeitgeber, dem diese wiederum auf Antrag von der zuständigen Behörde erstattet wird.
Die Regelung trat zum 30.03.2020 in Kraft und gilt bis einschließlich 31.12.2020.
7. Erleichterung der Weiterarbeit / Wiederaufnahme einer Beschäftigung nach Renteneintritt
Schließlich wurden mit dem Sozialschutz-Paket durch die Einführung des § 302 Abs. 8 SGB VI – befristet für das Kalenderjahr 2020 – die nach § 34 SGB VI bestehenden Beschränkungen für Rentner beim Hinzuverdienst vorübergehend gelockert. Im Kalenderjahr 2020 können hierdurch 44.590,00 Euro (statt bisher 6.300,00 Euro) hinzuverdient werden, ohne dass die Altersrente gekürzt wird.
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