Zielsetzung
Der Gesetzgeber strebt eine „punktuelle Weiterentwicklung“ des Aktienrechts in folgenden Bereichen an:
Daneben sollen in der Praxis aufgetretene Zweifelsfragen geklärt und redaktionelle Fehler früherer Gesetzgebungsverfahren beseitigt werden.
Debt-Equity-Swap auf Vorrat
Aktiengesellschaften sollen zukünftig einfacher Fremd- in Eigenkapital umwandeln dürfen. Zu diesem Zweck soll gesetzlich klar gestellt werden, dass bei Wandelschuldverschreibungen auch der Aktiengesellschaft das Wahlrecht zusteht, statt Darlehensrückzahlungen an ihre Gläubiger Aktien auszugeben (§ 221 Abs. 1 AktG-Entwurf). Bislang war dieses Wandlungsrecht nur für die Gläubiger vorgesehen. Unter Bildung bedingten Kapitals ermöglicht die umgekehrte Wandelschuldverschreibung der Gesellschaft, einen Debt-Equity-Swap auf Vorrat anzulegen und im Notfall geräusch- und problemlos einen Schuldenschnitt zu vollziehen.
Mit diesem Vorhaben zieht der Gesetzgeber erneut Lehren aus der Finanzkrise, indem er eine weitere Möglichkeit schafft, Fremdkapital in der Krise in Eigenkapital zu wandeln, um so die Bilanz eines Unternehmens zu entlasten. Erstmals schuf der Gesetzgeber durch das Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen (ESUG) eine Möglichkeit zur praktischen Anwendung eines Debt-Equity-Swaps als gestaltenden Teil eines Insolvenzplans.
Vorzugsaktien ohne Nachzahlungspflicht
Eine weitere Möglichkeit der Kapitalbeschaffung für Aktiengesellschaften eröffnet das Gesetz durch die Einführung von Vorzugsaktien ohne zwingende Nachzahlungspflicht auf ausgefallene Dividenden (§ 140 Abs. 2 AktG-Entwurf).
Wenn eine Dividendenausschüttung in einem Jahr ausfällt, haben Aktionäre, die stimmrechtslose Aktien mit Dividendenvorzug (Vorzugsaktien) besitzen, zurzeit einen zwingenden Nachzahlungsanspruch auf die ausgefallene Dividende im Folgejahr. Zukünftig steht es Gesellschaften frei, ob sie sich für Vorzugsaktien mit oder ohne Nachzahlungsanspruch entscheiden. Dabei können auch beide Arten der Vorzugsaktien nebeneinander ausgegeben werden.
Nach der Gesetzesbegründung bleibt es allein der Marktbewertung überlassen, ob sich nachzahlungsfreie Vorzugsaktien durchsetzen werden und zu welchen Konditionen diese gehandelt werden können. Gerade für Kreditinstitute dürften diese Aktien von praktischer Relevanz sein, da nach den internationalen Eigenkapitalanforderungen Vorzugskapital, das mit einem Nachzahlungsanspruch belastet ist, nicht auf das Kernkapital angerechnet werden kann.
Einschränkung der Inhaberaktien
Das bekannte Wahlrecht zwischen Namens- und Inhaberaktien bleibt auch nach Inkrafttreten der Aktienrechtsnovelle bestehen. Allerdings wird die Verbriefung von Inhaberaktien bei nichtbörsennotierten Aktiengesellschaften eingeschränkt. Inhaberaktien dürfen in diesem Fall nur ausgegeben werden, wenn das Recht des Aktionärs auf Einzelverbriefung ausgeschlossen wurde (§ 10 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 AktG-Entwurf); Inhaberaktien sind damit in Sammelurkunden aufzunehmen und bei einer Wertpapiersammelbank in Verwahrung zu nehmen.
Der Gesetzgeber reagiert mit diesem Vorhaben auf die internationale Kritik, die die Verwendung von Inhaberaktien in nichtbörsennotierten Aktiengesellschaften erfahren hatte. Die Financial Action Task Force, eine zwischenstaatliche Organisation zur Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung, hatte die bestehende Rechtslage dahingehend bemängelt, es gebe keine hinreichende Transparenz hinsichtlich der Gesellschafterstruktur. Durch die zwingende Verbriefung in Sammelurkunden soll dieser Mangel behoben werden.
Missbräuchliche nachgeschobene Nichtigkeitsklagen
Schließlich soll die Möglichkeit missbräuchlicher nachgeschobener Nichtigkeitsklagen eingeschränkt werden. Von solchen Klagen wird gesprochen, wenn nach einer Anfechtungsklage gegen einen Hauptversammlungsbeschluss in einem späten Stadium des Freigabeverfahrens noch Nichtigkeitsklagen aus taktischen Gründen nachgeschoben werden, um das Verfahren bewusst weiter zu verzögern. Verzögerungen sind bei strukturellen Maßnahmen nicht selten das entscheidende Druckmittel gegen das Unternehmen. Daher sieht der Entwurf die relative Befristung von Nichtigkeitsklagen vor: Nichtigkeitsklagen dürfen nur noch innerhalb eines Monats nach Bekanntmachung der Anfechtungsklage erhoben werden (§ 249 Abs. 3 AktG-Entwurf).