Praxistipp
Die zur Vermeidung einer Sperrzeit entwickelte Differenzierung zwischen dem Aufhebungs- und Abwicklungsvertrag verliert mit dem Urteil des Bundessozialgerichts an Bedeutung. Der Abschluss eines Abwicklungsvertrages nach Ausspruch der Kündigung durch den Arbeitgeber ist für den Arbeitnehmer nicht mehr unbedenklich und hat damit für die Arbeitsvertragsparteien als Instrument für die außergerichtliche Einigung an Attraktivität verloren. Dem Arbeitnehmer bleibt nach Erhalt der Kündigung der Weg zum Arbeitsgericht. Ein vor dem Arbeitsgericht geschlossener Vergleich über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses löst keine Sperrzeit aus, sofern dem Ausspruch der Kündigung und der Klageerhebung keine entsprechende Absprache zwischen den Arbeitsvertragsparteien vorausgegangen ist. Als Alternative dazu bleibt die neu geschaffene Regelung des § 1 a Kündigungsschutzgesetz. Dabei muss der Arbeitgeber schon im Kündigungsschreiben darauf hinweisen, dass die Kündigung aus dringenden betrieblichen Erfordernissen erfolgt und der Arbeitnehmer bei erstreichenlassen der Klagefrist für die Erhebung einer Kündigungsschutzklage eine Abfindung gemäß § 1 a Kündigungsschutzgesetz beanspruchen kann. Die Auflösung eines Arbeitsvertrages nach § 1 a Kündigungsschutzgesetz löst nach den neuen Durchführungsanweisungen der
Bundesagentur für Arbeit keinen Sperrzeittatbestand aus, so dass für die Praxis beim Rückgriff auf diese Regelung vorerst Rechtssicherheit besteht. Wie jedoch das Bundessozialgericht die erst nach Urteilsverkündung in Kraft getretene Regelung, bei der vom Arbeitnehmer erwartet wird, dass er sich passiv verhält und nicht gegen die arbeitgeberseitige Kündigung zur Wehr setzt, beurteilt, bleibt abzuwarten. Nicht völlig auszuschließen ist es, dass das BSG in der Wahl des Arbeitnehmers zwischen der Erhebung einer Kündigungsschutzklage und der Abfindung einen aktiven Beitrag zur Lösung
des Beschäftigungsverhältnisses sieht, der eine Sperrzeit auslöst. Unter Umständen erfährt als Reaktion auf das Urteil des Bundessozialgerichts auch der Aufhebungsvertrag, mit dem – häufig zur Vermeidung einer arbeitgeberseitigen Kündigung - das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien einvernehmlich beendet wird, eine Renaissance. Vereinbaren die Arbeitsvertragsparteien im Aufhebungsvertrag eine mindestens 12-wöchige bezahlte Freistellungsphase, so ist der Arbeitnehmer ab dem Beginn seiner Freistellung beschäftigungslos, so dass gemäß § 144 SGB III die Sperrzeit mit dem ersten Tag der Freistellung beginnt und nach dem Ablauf der 12-wöchigen Freistellungsphase abgelaufen ist. Es bleibt für den Arbeitnehmer jedoch der Nachteil, dass der Bezugszeitraum des Arbeitslosengeldes gemäß § 128 Abs. 1 Nr. 4 SGB III gekürzt wird, der Arbeitslose somit nur
für einen kürzeren Zeitraum Arbeitslosengeld beziehen kann. Auf diesen Nachteil wäre der Arbeitnehmer jeweils hinzuweisen. Nach § 144 Abs. 1 Nr. 1 SGB III tritt eine Sperrzeit von zwölf Wochen ein, wenn der Arbeitslose das Beschäftigungsverhältnis gelöst hat, ohne hierfür einen wichtigen Grund zu haben. Vereinbarungen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer, die nach Ausspruch einer Arbeitgeberkündigung getroffen werden und die die Kündigung absichern sollen, sind grundsätzlich als eine solche Lösung des Beschäftigungsverhältnisses zu behandeln. Der Arbeitnehmer leistet auch durch den Abschluss eines sogenannten Abwicklungsvertrages, in dem er auf die Geltendmachung seines Kündigungsschutzes verzichtet, einen wesentlichen Beitrag zur Herbeiführung seiner Beschäftigungslosigkeit. Es kann nicht entscheidend darauf ankommen, ob eine Vereinbarung über die Hinnahme der Arbeitgeberkündigung vor oder nach deren Ausspruch getroffen wird. Eine Sperrzeit würde jedoch nicht verhängt, wenn das Verhalten des Arbeitnehmers durch einen wichtigen Grund gerechtfertigt war. Bei Abschluss eines Aufhebungsvertrages vor Ausspruch einer Kündigung liegt ein wichtiger Grund im Sinne von § 144 Abs. 1 Nr. 1 SGB III vor, wenn die drohende Kündigung objektiv rechtmäßig ist. Dies muss grundsätzlich auch für einen nach einer Kündigung abgeschlossenen Abwicklungsvertrag gelten. Denn in einem solchen Fall ist nach Ansicht des Gerichts der Eintritt der Beschäftigungslosigkeit ohnehin nicht zu vermeiden. Das durch § 144 SGB III
gesicherte Interesse der Versichertengemeinschaft gegen selbst verschuldete Fälle der Arbeitslosigkeit ist nicht gefährdet und es wäre nicht sinnvoll, dem Arbeitnehmer einen Kündigungsschutzprozess aufzuzwingen. Nach Auffassung des BSG ist eine Sperrzeit auch dann nicht zu verhängen, wenn nach Ablauf der 3-wöchigen Frist für die Erhebung der Kündigungsschutzklage und ohne vorherige Absprachen oder Ankündigungen in einer Vereinbarung lediglich Einzelheiten zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses geregelt werden, wobei derartige Absprachen keine Regelungen in Beziehung zur Kündigung, insbesondere keiner Abfindungsregelung erwarten lassen. Eine weitere Ausnahme macht das BSG für ohne vorherige Absprachen in einem arbeitsgerichtlichen Verfahren geschlossene Vereinbarungen.