Trotz einer vermeintlich klaren Entscheidung des BGH in 2019, wonach abweichende Vertragsregelungen im Angebot nicht ohne Weiteres zum Ausschluss führen, hat das OLG Düsseldorf jüngst den zwingenden Ausschluss eines Angebots wegen abweichender Vertragsregelungen festgestellt. Die Entscheidung des OLG Düsseldorf lohnt einer näheren Betrachtung (Beschluss vom 12.02.2020, Verg 24/19).
Was ist das Rechtsproblem?
In nahezu jeder Vergabeordnung existiert ein ausdrücklicher Tatbestand über zwingende Ausschlussgründe (z. B. § 57 Abs. 1 VgV). Zu den zwingenden Ausschlussgründen zählt seit jeher die „Änderung der Vergabeunterlagen“ (vgl. § 42 Abs. 1 Nr. 4 UVgO).
Der zwingende Ausschlussgrund wegen Änderung der Vergabeunterlagen gilt nach herrschender Auffassung wegen der vergaberechtlichen Grundprinzipien wie dem Gleichbehandlungsgrundsatz auch in Vergabeordnungen, in denen das geschriebene Recht nicht ausdrücklich den Ausschluss wegen Änderung der Vergabeunterlagen vorsieht (für den Sektorenbereich u.a. OLG Düsseldorf, B. v. 30.04.2014, VII Verg 35/13, NZBau 2014, 589).
Die Rechtsprechung legt den Tatbestand „Änderung der Vergabeunterlagen“ relativ weit aus. Demnach sind selbst geringfügige bzw. für den Wettbewerb nicht relevante Änderungen ausschlusswürdig (vgl. Haak/Hogeweg, Beck´scher Vergaberechtskommentar, 3. Aufl. 2019, VgV § 57, Rn. 44 mit weiteren Nachweisen). Zu den klaren Ausschlussgründen zählte bisher u.a. die Beifügung von AGB im Angebot (u.a. OLG Schleswig, B. v. 30.06.2005, 6 Verg 5/05, IBRRS 2005, 2230). Das galt nach überwiegender Ansicht auch bei einem Anschreiben, auf dessen Rückseite die AGB eines Bieters formuliert waren (u.a. OLG München, B. v. 21.02.2008, Verg 1/08, VergabeR 2008, 580; VK Rheinland-Pfalz, B. v. 28.03.2018, VK 1-38/17, BeckRS 2018, 8488; etwas differenzierter OLG Celle, B. v. 22.05.2008, 13 Verg 1/08, BeckRS 2008, 10353).
Worum ging es in dem konkreten Fall?
Es ging um die Ausschreibung von Bauleistungen. In den Vergabeunterlagen war gemäß Ziff. 10.3 ZVB formuliert, dass der Auftraggeber berechtigt sei, Zahlungen wegen Ansprüchen und Forderungen zurückzuhalten oder aufzurechnen, die ihm aus anderen Rechtsgeschäften mit dem Auftragnehmer oder aus sonstigen Gründen gegen den Auftragnehmer zustehen. In Ziff. 1.1 Satz 3 ZVB war geregelt, dass alle abweichenden Bedingungen im Angebot des Auftragnehmers nur dann gelten, wenn sie von der Antragsgegnerin schriftlich anerkannt sind.
Ein Bieter C. formulierte nach vorherigen Verhandlungen zu dieser Thematik in einem Anschreiben zu seinem finalen Angebot: „Das in den Vertragsunterlagen aufgeführte Recht zur Aufrechnung durch den AG ist dahingehend zu konkretisieren, dass diese Rechte ausschließlich für Aufrechnungen der C. mit Forderungen/Ansprüchen der C. aus dem durch Zuschlagserteilung neu zu begründenden Vertrag zur Schachtförderanlage T. (E+M-Teil) gilt. Andernfalls ist die Gleichbehandlung der Bieter nicht gewährleistet."
Der Bieter C. wurde u.a. wegen Veränderung der Vorgaben nach Ziff. 10.3 ZVB nach § 16 Abs. 2 i.V.m § 13 Abs. 1 S. 5 VOB/A EU ausgeschlossen. Dagegen richtete sich der Nachprüfungsantrag, der in erster Instanz von der VK Bund zurückgewiesen wurde und schließlich als sofortige Beschwerde beim OLG Düsseldorf landete.
Was hat das OLG Düsseldorf entschieden?
Das OLG Düsseldorf hält den zwingenden Ausschluss für gerechtfertigt. Im Anschreiben zum Angebot seien unzulässige Abweichungen von den vertraglichen Vorgaben enthalten gewesen, indem das in Ziff. 10.3 ZVB geregelte Recht des Auftraggebers zur Aufrechnung mit Gegenansprüchen inhaltlich auf Forderungen und Ansprüche der Antragsgegnerin aus dem durch Zuschlagserteilung neu zu begründenden Vertrag zur Schachtförderanlage T. (E+M-Teil) beschränkt worden sei.
Etwas anderes folge nicht aus der Entscheidung des BGH vom 18.06.2019 (Az. X ZB 86/17). Dort habe der BGH das Verbleiben eines Angebots im Wettbewerb trotz abweichender vertraglicher Inhalte entschieden, wenn eine Abwehrklausel bestehe, wonach etwaige (abweichende) Allgemeine Geschäftsbedingungen des Bieters nicht Vertragsbestandteil werden, und ferner ausgeführt, dass auch ohne eine solche Abwehrklausel ein Angebot in der Wertung verbleiben könne, wenn die Verwendung der abweichenden Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Bieters erkennbar auf einem Missverständnis über die in den Vergabeverfahren einseitige Maßgeblichkeit der vom Auftraggeber vorgegebenen Vergabe und Vertragsbedingungen beruhe. Eine solche Konstellation liegt nach Auffassung des OLG Düsseldorf aber nicht vor, weil die hiesige Abwehrklausel in Ziff. 1.1 Satz 3 ZVB abweichende Bedingungen im Sinne von Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Bieters voraussetzen würde. Die Formulierung im Anschreiben des Bieters sei jedoch eine individuelle Regelung. Der Bieter habe aufgrund der vorherigen Verhandlungen gerade über diese Thematik nicht davon ausgehen können, dass der Auftraggeber von seiner Vorgabe abweichen möchte.
Was ist davon zu halten?
Die Begründung des OLG Düsseldorf überzeugt nicht. Es ist unklar, warum die vorliegende Ziff. 1.1 Satz 3 ZVB Allgemeine Geschäftsbedingungen des Bieters voraussetzen. Vor allem hat der BGH in der vom OLG Düsseldorf zitierten Entscheidung ausdrücklich formuliert, dass selbst in dem Fall, in dem eine der Abwehrklausel widersprechende Formulierung keine AGB im Rechtssinne wäre, nichts anderes gelte. Der Obersatz des BGH bliebe somit, wonach ein zwingender Ausschluss wegen abweichender Vertragsformulierungen regelmäßig nicht angezeigt ist, sondern eine Aufklärung zu erfolgen hat.
Die Grenze zieht der BGH in manipulativen Eingriffen des Bieters. Dann wäre ein Ausschluss angezeigt. Insofern hätte es einer Prüfung bedurft, ob diese Grenze überschritten wurde, denn schließlich hatten die Beteiligten in dem Verfahren gerade auch über den fraglichen Aspekt verhandelt, gleichwohl blieb der Bieter im finalen Angebot bei seiner Rechtsauffassung. Allerdings hat der BGH sehr deutlich den „Wertungswandel“ der Vergabebestimmungen betont, woraus gerade in Zweifelsfällen die Aufklärung vor dem Ausschluss folge. Ein unmittelbarer Ausschluss war auf dieser Basis somit nicht angezeigt.
Fazit
Die Entscheidung des OLG Düsseldorf liegt nicht auf einer Linie mit dem BGH. Insofern wird sie leider für Verunsicherung in der Behandlung von Angeboten führen, die abweichende Vertragsbedingungen beinhalten. Um jedes Risiko zu vermeiden, sollten Auftraggeber im Zweifel aufklären, statt direkt auszuschließen.