Abstürzende Computerprogramme, Probleme beim Up- oder Download, nicht funktionierende Schnittstellen für den Abruf oder die Versendung von Nachrichten, fehlerhafte (Über-)Speicherung von Dokumenten – die Liste möglicher technischer Probleme im elektronischen Vergabeverfahren ist lang. Besonders misslich jedoch sind Fehler, die unmittelbar die Angebotsabgabe betreffen, so etwa, wenn – wie im aktuell von der VK Südbayern (Beschluss vom 14.10.2019, Aktenzeichen Z3-3-3194-1-15-05 / 19) entschiedenen Fall – Inhalte der vom Bieter elektronisch übermittelten Preisblätter plötzlich „verschwunden“ sind. Hier stellt sich in der Praxis zunächst die (häufig kaum auflösbare) Frage, wer das technische Problem ausgelöst bzw. verschuldet hat, und daran anschließend – noch wichtiger – die Frage, welche Konsequenzen daraus folgen.
Was war passiert?
Die öffentliche Auftraggeberin schrieb Objektplanungsleistungen im Wege eines Verhandlungsverfahrens mit vorgeschaltetem Teilnahmewettbewerb europaweit aus und veröffentlichte die Vergabeunterlagen auf einer eVergabeplattform. Die Bieterin und spätere Antragstellerin gehörte zu den drei punktbesten Unternehmen des Teilnahmewettbewerbs und wurde zur Abgabe eines Erstangebotes aufgefordert. Anschließend wurde durch die Auftraggeberin die veröffentlichte Excel-Datei für das Preisblatt – die die Bieter zwingend verwenden mussten – durch eine neu hochgeladene Datei ersetzt. Die Bieter wurden hierüber informiert und dazu aufgefordert, die aktualisierte Datei zu verwenden.
Die Bieterin und spätere Antragstellerin reichte nach entsprechenden Verhandlungsgesprächen ein finales Honorarangebot unter Beifügung des entsprechenden Preisblattes ein. Das Formular enthielt jedoch – bis auf die Eintragung der Zahl „15“ in der Datumszeile – keine Angaben.
Die Auftraggeberin schloss das Angebot daher von der Wertung aus. Hiergegen wehrte sich die Bieterin mit einem Nachprüfungsantrag vor der VK Südbayern mit dem Vortrag, dass der Fehler offensichtlich bei der eVergabeplattform und nicht bei ihr gelegen habe. Die Antragsgegnerin berief sich indessen auf die Aussage des Plattformbetreibers, dass der Fehler vermutlich aus dem Uploadvorgang des Bieters herrühre. Der von der Vergabekammer als sachverständiger Zeuge gehörte Mitarbeiter des Betreibers der Vergabeplattform wiederum kann die Ursache der fehlerhaften Übermittlung des Preisblattes nicht endgültig erklären.
Entscheidung der VK Südbayern: Sphäre des Fehlers ausschlaggebend
Die VK Südbayern bestätigt die Rechtmäßigkeit des Ausschlusses der Antragstellerin wegen fehlender wesentlicher Preise nach § 53 Abs. 7 Satz 2 VgV in Verbindung mit § 57 Abs. 1 Nr. 5 VgV.
Mit Blick auf die fehlerhafte Einreichung des Formulars sei zu prüfen, in wessen Verantwortungsbereich sie falle. Hierbei sei auch zu berücksichtigen, dass das Übermittlungsrisiko üblicherweise vom Absender (also dem Bieter) zu tragen sei.
Im vorliegenden Verfahren sei es aufgrund der nicht abschließend aufzuklärenden technischen Ursache der Übermittlung unausgefüllter Preisblätter für die Vergabekammer schwierig, die fehlerhafte Einreichung eindeutig der Sphäre der Antragsgegnerin oder der Antragstellerin zuzuordnen. So sei es denkbar, dass das Nicht-Speichern der Inhalte durch Excel ausgelöst worden sei, was dann in der Sphäre der Bieterin bzw. Antragstellerin liege. Aber auch eine Fehlfunktion der von der Auftraggeberin bzw. Antragsgegnerin zur Verfügung gestellten Excel-Datei sei nicht sicher auszuschließen. Ebenso könne es sein, dass der Bieter den Bieter-Client des Vergabeplattformbetreibers nicht richtig installiert oder aktualisiert habe oder aber ein der Vergabestelle zuzurechnender Programmfehler des Clients vorliege, der unter bestimmten Voraussetzungen die Angebotsabgabe verhindern oder das Bearbeiten und Speichern der Dateien in den Angebotspaketen stören könne. Letztlich könne ein Bedienungsfehler der Bieterin bzw. Antragstellerin nach der vorliegenden Sachlage weder ausgeschlossen noch unterstellt werden. Allerdings liege ein Bedienfehler der Bieterin zumindest nahe, weil die übrigen Bieter schließlich in der Lage gewesen seien, ein ausgefülltes Preisblatt zu übermitteln.
In solchen Fällen, in denen im Rahmen der von der Vergabekammer vorzunehmenden Sachverhaltsermittlung und Beweiserhebung die Ursache für eine fehlerhafte Angebotsabgabe nicht abschließend geklärt werden könne, gehe dies jedoch nicht automatisch zu Lasten der Vergabestelle. Dies gelte insbesondere dann, wenn ein Bedienfehler der Bieterin durchaus wahrscheinlich sei. Der Ausschluss müsse daher unter Berücksichtigung der grundsätzlichen Risikoverteilung beim Übermittlungsvorgang zu Lasten des Bieters Bestand haben.
Abschließend weist die Vergabekammer noch darauf hin, dass die Auftraggeberin den Bietern hier auch alle notwendigen Informationen über die im Vergabeverfahren verwendeten elektronischen Mittel zur Verfügung gestellt habe, so dass ihr insoweit ebenfalls keine Verantwortlichkeit für die fehlerhafte Übermittlung der Preisblätter zugewiesen werden könne. Zwar sei die Auftraggeberin hier „aufgrund des [...] komplexen, nicht selbsterklärenden und fehlerträchtigen Angebotsabgabevorgangs“ gehalten gewesen, den Bietern detaillierte Erläuterungen hierzu in den Vergabeunterlagen zur Verfügung zu stellen. Dieser Pflicht sei die Auftraggeberin aber nachgekommen, indem sie den Bietern mit einer separaten Bieterinformation eine „detaillierte Anleitung“ in der Datei „Hilfestellung beim Bearbeiten der Vergabeunterlagen im Tool AV....pdf“ zur Verfügung gestellt habe. Dort seien die wesentlichen Verfahrensschritte für die erfolgreiche Angebotsabgabe hinreichend anschaulich dargestellt worden.
Fazit
Interessierte Bieter sollten sich in der Praxis frühzeitig und dezidiert mit den technischen Details der vom Auftraggeber vorgegebenen Vergabeplattform und den jeweiligen Verfahrensvorgaben auseinandersetzen. Dies betrifft bei dem Einsatz von automatisierten Formularen insbesondere auch die Einstellungen innerhalb der auszufüllenden Dokumente, wie beispielsweise die Aktivierung sogenannter „Makros“.
Öffentliche Auftraggeber können aus der Entscheidung der VK Südbayern mitnehmen, dass sie die Feststellungslast dafür tragen, dass die eingesetzten elektronischen Mittel im Vergabeverfahren die Anforderungen des § 11 Abs. 1 VgV erfüllen und die nach § 11 Abs. 3 VgV erforderlichen Informationen zur Verfügung gestellt werden. Erkennen sie daher z. B. technische Probleme, die aus der Sphäre der von ihnen eingesetzten Vergabeplattform herrühren, so müssen sie die Bieter hierüber informieren und für Abhilfe sorgen.
Haben Sie Fragen im Zusammenhang mit der Durchführung von oder der Teilnahme an eVergabe-Verfahren? Wir beraten Sie gerne!