Ein viel versprechender Markt mit Hürden
Viele Produkte erzeugen eine hohe Kundenbindung, indem sie sinnvoll nur in Kombination mit Ergänzungsprodukten des Herstellers genutzt werden können. Das Einsteigerprodukt (sog. Locked-In-Produkt) sperrt Kunden z. B. durch technische Hürden quasi in ein System von Ergänzungsprodukten ein. Typische Beispiele für Ergänzungsprodukte sind etwa Druckerpatronen, Kaffeekapseln oder aber Aufsätze (Bohrer etc.) für Werkzeuge oder im medizinischen Bereich. Ohne das Hauptprodukt wären Bohrer, Kapseln oder Druckerpatronen unverkäuflich. Aber auch ganz andere Produkte können in der Abhängigkeit eines fremden Produktes stehen. So kann z.B. eine Software darauf angewiesen sein, Zugriff auf eine fremde Datenbank zu haben. Fehlen dem Hersteller die erforderlichen Schnittstelleninformationen, ist sein Produkt unverkäuflich.
Monopolisierung
Viele Hersteller versuchen jedoch, den Markt für Ergänzungsprodukte für sich oder ausgewählte Hersteller zu monopolisieren. Dies kann z.B. durch einen Patentschutz der eigenen Ergänzungsprodukte- oder wichtiger Anschlussteile/Adapter erfolgen. Eine Überprüfung der Bestandskraft der Patente oder Gebrauchsmuster – etwa im Wege einer Nichtigkeitsklage – kann sich im Einzelfall dennoch lohnen. Auch wenn Patente vor ihrer Eintragung ein komplexes Prüfungsverfahren durchlaufen, stellt sich nicht selten im Nachhinein heraus, dass der erforderliche „erfinderische Schritt“ tatsächlich gar nicht vorlag. Das Patent wird dann gelöscht.
Andere Hersteller versuchen, sich den Absatzmarkt für die Ergänzungsprodukte durch Kopplungsangebote (Verkauf des Hauptproduktes ausschließlich im Zusammenhang mit dem Ergänzungsprodukt) zu sichern. Alternativ sollen Liefervereinbarungen über die langfristige Deckung des Gesamtbedarfs an Bohrern, Patronen etc. ein „Fremdgehen“ bei dritten Herstellern verhindern. Auch hier kann sich für den benachteiligten Wettbewerber eine genauere Überprüfung der getroffenen Abreden lohnen. Dies gilt insbesondere dann, wenn der Hersteller über einen nicht ganz unbedeutenden Marktanteil verfügt. In diesem Falle können sowohl Liefervereinbarungen über die Deckung des Gesamtbedarfs des Kunden, als auch Kopplungsangebote gegen das Kartellrecht verstoßen. Die Abreden /Angebote wären unwirksam. Auch in den Fällen, in denen dem Hersteller eines Ergänzungsproduktes wichtige Zugangsinformationen- etwa über die Schnittstellenanbindung einer Software – verweigert werden, kann das Kartellrecht im Einzelfall helfen und einen Auskunftsanspruch gewähren.
Beliebt ist zuletzt auch der Versuch mancher Hersteller, die Garantie/Gewährleistung oder Produkthaftung des Hauptproduktes für den Fall der Verwendung von „Fremdprodukten“ auszuschließen. Begleitet werden solche Haftungsausschlüsse häufig von Warnungen vor den fremden Zubehörteilen. Ein äußerst wirksames Argument für den Verkauf der eigenen Zubehörteile. Welcher Kunde möchte schon das Risiko eingehen, wegen der Verwendung eines „Fremdproduktes“ bei Gewährleistungs- oder Haftungsfällen vom Hersteller alleingelassen zu werden? .
Dem Hersteller ist dabei zwar zuzugestehen, dass er sich in einem gewissen Haftungsdilemma befindet. Liegt es nahe, dass ein Kunde sein Hauptprodukt mit einem unsicheren/gefährlichen Ersatzteil nutzt, so kann er seiner produkthaftungsrechtlichen Aufklärungspflicht ggf. nur durch eine entsprechende Warnung erfüllen. Dennoch dienen entsprechende Haftungsausschlüsse und Warnhinweise häufig einem ganz anderen Zweck. Sicherheitsbedenken mag es in Einzelfällen geben; in Großteil der angebotenen Ergänzungsprodukte entspricht jedoch dem Stand der Technik und hat alle vorgegebenen Sicherheitsprüfungen nachweislich erfüllt. Pauschale Warnungen vor dem Einsatz von „Fremdprodukten“ dürften daher in den meisten Fällen wettbewerbswidrig und damit unzulässig sein. Ähnlich sieht die Situation bei den Gewährleistungs-/Haftungsausschlüssen aus. Der Defekt eines Druckers muss nicht das Geringste mit dem Einsatz einer „fremden“ Druckerpatrone zu tun haben. Ein durch einen Kabelbrand verursachter Hausbrand muss nicht auf die Verwendung eines „fremden“ Ersatzteils zurückzuführen sein. Pauschale Haftungsausschlüsse verstoßen daher fast immer gegen die Vorgaben des AGB-Rechts und sind damit unzulässig.
Fazit
Der Markt für Ersatzprodukte ist damit häufig ein Markt mit Hürden. Viele dieser Hürden lassen sich jedoch bei genauerer rechtlicher Prüfung aus dem Weg räumen. Einem fairen Wettbewerbsverhältnis kann so der Weg gebahnt werden.