Ergeht gegenüber einem nicht arbeitsunfähig erkrankten Arbeitnehmer eine Quarantäneverfügung und kann er in Quarantäne seine Arbeitsleistung nicht erbringen (z.B. auch nicht im Homeoffice), ist der Anwendungsbereich der Verdienstausfallentschädigung gemäß § 56 Abs. 1 Infektionsschutzgesetz (IfSG) eröffnet. Die Höhe der Verdienstausfallentschädigung entspricht in den ersten sechs Wochen der Quarantäne der Höhe des eigentlich geschuldeten Entgelts. Der Arbeitgeber ist Auszahlstelle für die zustände Behörde und kann sich den ausgezahlten Betrag auf Antrag erstatten lassen.
Ob die zuständige Behörde auf Antrag des Arbeitgebers das ausgezahlte Entgelt erstattet, hängt aber oftmals von der Dauer der Quarantäne und (bald) auch von dem Impfstatus des Arbeitnehmers ab.
Relevanz der Dauer der Quarantäne
Der Anspruch nach dem IfSG besteht nur, wenn der Arbeitgeber nicht selbst gemäß § 616 BGB zur Entgeltzahlung verpflichtet ist. Nach dieser Vorschrift muss der Arbeitgeber das Gehalt (auch dann) zahlen, wenn der Arbeitnehmer für eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit durch einen in seiner Person liegenden Grund ohne sein Verschulden an der Arbeitsleistung verhindert wird. Während es für den Arbeitnehmer nicht darauf ankommt, wer am Ende mit seinem Entgelt belastet ist, kommt es ob der Unbestimmtheit des Merkmals „verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit“ häufig zu Streit zwischen Arbeitgeber und der zuständigen Behörde darüber, ob eine Quarantänedauer noch unerheblich ist (dann ist wegen § 616 BGB der Arbeitgeber belastet) oder nicht (dann erfolgt eine Erstattung durch die Behörde).
Bei der Auslegung des Kriteriums kommt es auf die Umstände des Einzelfalls an. Allerdings geben erste Entscheidungen zu der Thematik Aufschluss darüber, wann eine Quarantänedauer erheblich ist. Einigkeit scheint dabei dahingehend zu bestehen, dass eine Dauer der Quarantäne von bis zu fünf Tagen eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit beschreibt (vgl. OVG Lüneburg v. 02.07.2021 – 13 LA 258/21). Eine Quarantänedauer von 14 Tagen wird demgegenüber ganz überwiegend bereits als erheblich angesehen, so dass dann der Erstattungsanspruch gegeben wäre (LG Münster v. 15.04.2021 – 8 O 345/20, VG Bayreuth v. 05.05.2021 – B 7 K 21.210; andere Auffassung aber VG Koblenz v. 10.05.2021 – 3 K 107/21.KO). Bei einer Quarantänedauer zwischen diesen beiden Polen lässt sich das Ergebnis einer streitigen Auseinandersetzung aktuell nicht prognostizieren. Es fehlt zum einen an einer gefestigten Rechtsprechung, auch scheint die Verwaltungspraxis der zuständigen Behörden nicht einheitlich zu sein.
Tipp: § 616 BGB vertraglich abbedingen
Bei § 616 BGB handelt es sich um dispositives Recht. Vor diesem Hintergrund empfiehlt es sich aus Arbeitgebersicht, die Vorschrift für den Anwendungsfall der Quarantäne möglichst abzubedingen. Auf diese Weise vermeidet der Arbeitgeber jedenfalls das Risiko, dass die Behörde das ausgezahlte Entgelt wegen einer vermeintlich unerheblichen Quarantänedauer nicht erstattet. Eine entsprechende vertragliche Regelung könnte wie folgt formuliert sein:
„Die Entgeltzahlung durch den Arbeitgeber ist für die Dauer ausgeschlossen, für die der Arbeitnehmer sich aufgrund behördlicher Anordnung in Quarantäne befindet und aus diesem Grunde keine Arbeitsleistung erbringen kann; § 616 BGB ist insoweit abbedungen.“
Eine einseitige Abbedingung der Vorschrift ist demgegenüber nicht möglich. Der Arbeitgeber ist mithin auf die Zustimmung des Arbeitnehmers zu einer entsprechenden vertraglichen Regelung angewiesen (sofern nicht bereits ein anwendbarer Tarifvertrag das Thema abschließend regelt). Erfahrungsgemäß wird dies bei Neueinstellungen deutlich unproblematischer sein als bei bereits bestehenden Arbeitsverhältnissen.
Verwaltungspraxis im Umschwung: Die Regelung des § 56 Abs. 1 Satz 4 IfSG
Neue Dynamik erfährt die Diskussion um die Verdienstausfallentschädigung während der Quarantäne durch § 56 Abs. 1 Satz 4 IfSG. Diese Regelung sieht vor, dass eine Entschädigung nicht erhält, wer durch Inanspruchnahme einer Schutzimpfung, die im Bereich des gewöhnlichen Aufenthaltsorts des Betroffenen öffentlich empfohlen wurde, die Quarantäne hätte vermeiden können.
Während diese Vorschrift bislang im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie nicht zur Anwendung gelangte, haben nunmehr gleich mehrere Bundesländer angekündigt, hiervon zukünftig Gebrauch zu machen (so etwa Baden-Württemberg seit dem 15.09., Rheinland-Pfalz ab dem 01.10., Nordrhein-Westfalen ab dem 11.10.2021). Da die Corona-Schutzimpfung öffentlich empfohlen wird, wird ein Anspruch auf Verdienstausfallentschädigung für ungeimpfte Arbeitnehmer – mit Ausnahme etwa derjenigen, bei denen medizinische Gründe gegen eine Impfung sprechen – dann grundsätzlich ausscheiden.
Mit Spannung darf erwartet werden, ob der Impfstatus des Arbeitnehmers dann auch im Anwendungsbereich von § 616 BGB relevant wird. So ist eine der Voraussetzungen, dass der Arbeitnehmer „ohne sein Verschulden“ an der Arbeitsleistung verhindert ist. Arbeitgeber könnten zukünftig argumentieren, dass ungeimpfte Arbeitnehmer die Quarantäne durch eine Impfung hätten vermeiden oder zumindest abkürzen können, so dass sie ein Verschulden im Sinne der Vorschrift trifft. Abwegig ist dieser Gedanke sicherlich nicht.
Fragerecht des Arbeitgebers hinsichtlich des Impfstatus bei Quarantäne-Situation?
Ein generelles Recht des Arbeitgebers, seine Arbeitnehmer nach ihrem Impfstatus zu fragen, wird derzeit viel diskutiert, allerdings ganz überwiegend – zumal aus Datenschutzgründen – abgelehnt.
Bei der Quarantäne-Situation gibt es nun aber die Besonderheit, dass der Impfstatus des Arbeitnehmers zukünftig je nach Ländervorgabe häufig darüber entscheiden wird, ob der Anspruch auf Verdienstausfallentschädigung nach § 56 Abs. 1 IfSG besteht oder nicht. In diesen Fällen muss man auch dem Arbeitgeber, der ja als Auszahlstelle für die zuständige Behörde in Vorleistung treten soll, ein Fragerecht nach dem Impfstatus des sich in Quarantäne befindlichen Arbeitnehmers zugestehen. Das Bundesgesundheitsministerium teilt diese Ansicht in einer aktuellen Stellungnahme. Verweigert der Arbeitnehmer die Auskunft bzw. den Nachweis seiner Impfung, so sollte der Arbeitgeber zunächst das Entgelt für die Dauer der Quarantäne nicht auszahlen, da er sich sonst dem Risiko aussetzt, dass die zuständige Behörde die Erstattung des ausgezahlten Betrages ablehnt.
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