Flankierend zur aktuellen Ausgabe der Zeitschrift VergabeFokus, die sich ausgiebig dem Branchenthema „Vergabe von Straßenbeleuchtungsverträgen“ widmet, setzt sich dieser Blog-Beitrag mit der Abgrenzung der Auftragsarten bei der Ausschreibung von Beleuchtungsleistungen auseinander.
Bereits mehrfach hat die Frage, ob bei der Ausschreibung von Leistungen im Zusammenhang mit Beleuchtungsanlagen schwerpunktmäßig eine Liefer-, Dienst- oder Bauleistung vorliegt, die Vergabenachprüfungsinstanzen beschäftigt. Dabei ist die Antwort auf diese Frage von grundlegender Bedeutung. Zum einen bestimmt sich danach, ob die Verfahrensordnung für Bauleistungen einerseits oder diejenige für Liefer- und Dienstleistungen andererseits zur Anwendung gebracht werden muss. Zum anderen folgt daraus, welcher EU-Schwellenwert zu beachten ist und somit, ob das Ober- und Unterschwellenvergaberecht anzuwenden ist.
Die folgende, chronologische Rechtsprechungsübersicht liefert einen aussagekräftigen Überblick, welche Faktoren für die zutreffende Einordnung im Einzelfall ausschlaggebend sind. Sie nimmt nacheinander folgende Entscheidungen in den Blick:
OLG München zur Abgrenzung von Liefer- und Bauleistung
Sachverhalt
Die Auftraggeberin schrieb im Jahr 2005 im Rahmen einer Gebäudebaumaßnahme europaweit die Lieferung von Leuchten im offenen Verfahren nach der VOL/A, 2. Abschnitt, (nunmehr VgV) aus. Der Gesamtauftragswert der Baumaßnahme lag deutlich über dem maßgeblichen EU-Schwellenwert für Baumaßnahmen. Der geschätzte Auftragswert für die Lieferung der Leuchten lag für sich genommen jedoch unter dem EU-Schwellenwert für Liefer- und Dienstleistungen. Die Auftraggeberin nahm die voraussichtlichen Kosten für die Beleuchtungsanlagen in die Liste des EU-weit ausschreibungsbedürftigen 80 %-Kontingents nach § 1a Nr. 1 Abs. 2 VOB/A a. F. (nunmehr § 3 Abs. 9 VgV) auf. Die Bieter sollten die geforderten Leuchtenkörper komplett verdrahtet und mit allem Zubehör für die betriebsfertige Montage liefern. Den Auftrag zur Montage hatte die Auftraggeberin bereits gesondert vergeben.
Ein unterlegener Bieter wandte sich nach erfolgloser Rüge mit einem Vergabenachprüfungsantrag an die VK Südbayern. Diese verwarf den Antrag als unzulässig. Dagegen legte der Bieter sofortige Beschwerde beim OLG München ein.
Entscheidung
Ohne Erfolg!
Nach dem OLG München ist das Nachprüfungsverfahren bereits nicht eröffnet, weil der EU-Schwellenwert für Liefer- und Dienstleistungen nicht erreicht sei. Der deutlich höhere EU-Schwellenwert für Bauleistungen sei ohnehin nicht maßgeblich, da der streitgegenständliche Auftrag nicht als Bauleistung, sondern als Lieferleistung zu qualifizieren sei.
Gegenstand der Ausschreibung sei ausschließlich eine Lieferverpflichtung, ohne Montage- und Einbauleistungen. Es würden marktübliche Beleuchtungskörper einschließlich Zubehör verlangt, wie sie eine Reihe von Herstellern anböten, ohne dass eine spezifische Be- oder Verarbeitung oder Anpassungen an die baulichen Gegebenheiten verlangt würden. Da der Begriff der Bauleistung eine Arbeitsleistung am Bauwerk voraussetze, handele es sich bei der geforderten Leistung nicht um eine Bauleistung.
Nach den Umständen des Einzelfalls könne zwar auch die Lieferung von Gegenständen, die der Auftragnehmer den konkreten baulichen Verhältnissen anzupassen, vor Ort einzubauen und zu montieren habe, eine Bauleistung sein. Aufträge, die – wie hier –nicht über den reinen Austausch einer Ware gegen Vergütung hinausgingen, die insbesondere die bloße Lieferung von Baustoffen oder -teilen ohne individuelle, auf das Bauvorhaben bezogene Be- oder Verarbeitung zum Gegenstand hätten, wiesen hingegen keinen hinreichend engen funktionalen Zusammenhang mit der Erstellung des Bauwerks auf. Sie zählten daher nicht zu den Bau-, sondern zu den Lieferaufträgen.
Ob die zu vergebende Leistung als Liefer- oder Bauleistung zu qualifizieren ist, hänge auch, so das OLG München, nicht von der internen Beurteilung durch die Auftraggeberin ab, sondern von den objektiven Gegebenheiten. Daran ändere auch eine etwaig fehlerhafte Einordnung in das 80 % Kontingent nichts.
Schlussfolgerungen für Beleuchtungsausschreibungen
Aus dem Beschluss des OLG München folgt für die Ausschreibung von Aufträgen im Zusammenhang mit (Straßen-)Beleuchtung, die lediglich die Lieferung von marktüblichen Komponenten, insbesondere Leuchtmittel, zum Gegenstand haben, dass eine Lieferleistung vorliegt und in der Folge der entsprechende EU-Schwellenwert von derzeit 214.000,- € netto maßgeblich ist.
VK Berlin zur Abgrenzung von Dienst- und Bauleistung
Sachverhalt
Der Auftraggeber schrieb im Jahr 2010 die Wartung sowie die Störungs- und Schadensbeseitigung an den Straßenbeleuchtungsanlagen im Stadtgebiet als Bauauftrag national aus. Der Wert der ausgeschriebenen Leistungen lag unterhalb desjenigen für Bauleistungen, aber oberhalb des für Liefer- und Dienstleistungen geltenden EU-Schwellenwertes.
Nach Zuschlagserteilung übersandte der Auftraggeber den unterlegenen Bietern lediglich ein Schreiben mit einem Hinweis auf den erfolgten Vertragsschluss. Ein betroffener Bieter rügte daraufhin, dass es sich bei den ausgeschriebenen Leistungen um Dienstleistungen handele, die den maßgeblichen EU-Schwellenwert überschritten. Daher seien die Leistungen europaweit nach der VgV auszuschreiben gewesen und der mit dem Bestbieter geschlossene Vertrag sei unwirksam. Nach Erhalt der Nichtabhilfemitteilung stellte der Bieter bei der VK Berlin einen Antrag auf Nachprüfung.
Entscheidung
Ohne Erfolg!
Gemäß der VK Berlin ist der Antrag im Ergebnis mangels rechtzeitiger Rüge unzulässig. Der aus den Vergabeunterlagen erkennbare Vergabeverstoß in Gestalt der Wahl der fehlerhaften Verdingungsordnung habe bis zum Ablauf der Angebotsfrist gerügt werden müssen.
Dennoch hat die VK Berlin im Rahmen der Entscheidung ausdrücklich zur Abgrenzung von Bauleistungen einerseits und Dienstleistungen andererseits Stellung bezogen. So hat die VK Berlin im Rahmen der Statthaftigkeit des Antrags hervorgehoben, dass es sich bei den ausgeschriebenen Leistungen – entgegen der Einordnung des Auftraggebers – um einen Dienstleistungsauftrag handele, dessen Auftragswert den maßgeblichen EU-Schwellenwert überschreite.
Nach dem gewachsenen Begriff der Bauleistungen im Sinne des Vergaberechts seien Bauleistungen Arbeiten jeder Art, durch die eine bauliche Anlage hergestellt, instand gehalten, geändert oder beseitigt werde. Diese Arbeiten gingen regelmäßig mit fühlbaren Eingriffen in die vorhandene Bausubstanz einher. Vor diesem Hintergrund seien Arbeiten im Zusammenhang mit der Neuerrichtung eines Bauwerks („herstellen“) Bauarbeiten. Ebenso seien die Änderung und die Beseitigung einer baulichen Anlage regelmäßig als Bauleistungen anzusehen, weil sie ohne Eingriff in die Substanz nicht vorstellbar seien.
Beim Begriff Instandhaltung müsse zwischen reinen Maßnahmen zur Erhaltung des zum bestimmungsgemäßen Gebrauch geeigneten (Soll-)Zustands und Instandsetzungen als Maßnahmen zur Wiederherstellung des Sollzustands differenziert werden. Reine Instandhaltungsmaßnahmen wie Reinigung, Pflege, Wartung oder die Beseitigung von Verschleißerscheinungen sowie kleinerer Schäden seien aufgrund ihrer nicht oder nur sehr geringfügig in die Substanz eingreifenden Wirkung nicht als Bauleistung zu qualifizieren.
Maßgebend für die Einordnung als Bauarbeiten ist nach Ansicht der VK Berlin, inwieweit in nennenswertem Umfang in die Substanz eines Bauwerkes eingegriffen wird. Darauf, ob die Straßenbeleuchtung nach Landesrecht zum Straßenkörper gehöre, komme es – entgegen dem Vorbringen des Auftraggebers – nicht an. Denn nicht alle Arbeiten an einer Straße seien zwangsläufig als Bauarbeiten anzusehen. Insbesondere sei die Straßenreinigung nicht als Bauleistung einzustufen, nur weil sie am Straßenkörper durchgeführt werde.
Nach der Auffassung der VK Berlin enthalten die ausgeschriebenen Leistungen sowohl Positionen, die als Bauleistung einzuordnen sind, als auch Positionen, die unter Dienstleistungen fallen. So sei die Position „Wartung“ ausschließlich als Dienstleistung anzusehen, während die Positionen „Störungsbeseitigung“ und „Schadensbeseitigung“ jeweils dann Elemente von Bauleistungen enthielten, wenn sie über den Austausch defekter Bauteile hinaus Eingriffe in die Bausubstanz (z. B. Erdarbeiten) erforderlich machten. Dabei komme es nicht darauf an, wie der Auftraggeber die Positionen im Leistungsverzeichnis benenne. Vielmehr sei entscheidend, welche Leistungen in den Positionen jeweils konkret enthalten bzw. beschrieben seien.
Hinsichtlich der Einordnung des Gesamtauftrags komme es sodann auf den Schwerpunkt der Leistungen an. Dabei sei wiederum entscheidend, welcher Anteil (deutlich) überwiege. Dies deckt sich mit der nunmehr in § 110 Abs. 1 Satz 1 GWB enthaltenen Regelung. Danach werden öffentliche Aufträge, die verschiedene Leistungen, wie Liefer-, Bau- und Dienstleistungen, zum Gegenstand haben, nach den Vorschriften vergeben, denen der Hauptgegenstand des Auftrags zuzuordnen ist.
Ein reiner Instandhaltungsanteil von 25 % rechtfertige unter Bezugnahme der Rechtsprechung des OLG Düsseldorf (Beschluss vom 18.10.2006, Verg 35/06, abrufbar unter folgendem Link) jedenfalls noch nicht die Annahme eines Bauauftrags. Lege man diesen Maßstab im vorliegenden Fall zugrunde, so lasse sich der Schwerpunkt, sowohl was den Zweck und den Inhalt der Arbeiten betreffe, als auch hinsichtlich ihres Anteils am Gesamtpreis, klar an den Pflege- und Wartungsarbeiten festmachen. Denn die Auftragnehmer seien routinemäßig zur Überprüfung aller Beleuchtungsanlagen auf ihre Funktionstüchtigkeit, zur Reinigung der Beleuchtungskörper und zum Austausch defekter Teile verpflichtet gewesen. Reparaturen, die mit Erdarbeiten und im äußersten Fall auch mit dem Aufstellen eines komplett neuen Beleuchtungskörpers verbunden seien, seien nur ausnahmsweise vorgesehen. Sie machten im Durchschnitt deutlich weniger als ein Drittel der Endpreise der eingereichten Angebote aus. Deshalb seien Anteil und Bedeutung der reinen Bauarbeiten als so gering anzusehen, dass sie vorliegend allenfalls untergeordnete Nebenarbeiten seien. Daher sei der zu vergebende Auftrag im Schwerpunkt eine Dienstleistung.
Schlussfolgerungen für Beleuchtungsausschreibungen
Soweit bei der Ausschreibung schwerpunktmäßig die intervallmäßige Prüfung der Beleuchtungsanlagen auf ihre Funktionstüchtigkeit und ihre Standsicherheit, die Reinigung der Beleuchtungskörper und der Austausch defekter Teile, insbesondere der Leuchtmittel, im Vordergrund stehen, liegt eine Dienstleistung vor. In der Folge ist bei einem Auftragswert unter dem maßgeblichen EU-Schwellenwert von 214.000,- € netto eine Ausschreibung nach der UVgO und bei Erreichen oder Überschreiten dieses Schwellenwertes ein Vergabeverfahren nach der VgV durchzuführen. Dabei lässt etwa die Hinzunahme des Austauschs von Leuchtenmasten im definierten Einzelfall, etwa infolge einer Beschädigung durch einen Verkehrsunfall oder aufgrund gefährdeter Standsicherheit infolge eines Sturms, die Ausschreibung nicht im Schwerpunkt zur Bauleistung werden. Verschiebt sich hingegen der Hauptgegenstand der Ausschreibung – etwa aufgrund der miterfassten Erschließung von (geplanten) Neubaugebieten oder aufgrund von in großem Umfang über die Vertragslaufzeit erforderlichen Neuherstellungen von Leuchtenkörpern im Zuge der Umsetzung eines Effizienzkonzeptes –hin zur Bauleistung, ist der insoweit derzeit maßgebliche EU-Schwellenwert von 5.350.000,- € netto zu beachten. Unterhalb dieses Wertes ist eine Ausschreibung nach der VOB/A, 1. Abschnitt und bei Erreichen oder Überschreiten dieser Wertgrenze ein Vergabeverfahren nach deren zweitem Abschnitt durchzuführen. Möglicherweise ist auch eine Trennung der Leistung von Wartung/Pflege einerseits und (Neu-)Herstellungen andererseits sinnvoll bzw. rechtlich geboten.
VK Baden-Württemberg zur Abgrenzung von Liefer- und Bauleistung
Sachverhalt
Die Auftraggeberin schrieb die umfassende Sanierung und weitgehende Umrüstung ihrer Straßenbeleuchtungsanlagen auf LED-Technik im Rahmen eines nationalen Vergabeverfahrens als Bauleistung aus.
Ein unterlegener Bieter erhob Vergabenachprüfungsantrag bei der VK Baden-Württemberg mit der Begründung, die ausgeschriebenen Leistungen seien als Liefer- und Dienstleistungsaufträge anzusehen und aufgrund der Überschreitung des insoweit maßgeblichen EU-Schwellenwertes europaweit auszuschreiben gewesen.
Entscheidung
Ohne Erfolg!
Der VK Baden-Württemberg zufolge ist der Antrag unzulässig. Er sei unstatthaft, weil er einen Bauauftrag betreffe, der den maßgeblichen EU-Schwellenwert unterschreite und daher einem Vergabenachprüfungsverfahren nicht zugänglich sei.
Der streitgegenständliche Auftrag enthalte sowohl Liefer- als auch Bauleistungsmerkmale. Daher komme es auf dessen Hauptgegenstand an.
Das Leistungsspektrum zur Sicherstellung der gewünschten lichttechnischen Erfordernisse in Straßenzügen der ausschreibenden Gemeinde umfasse insbesondere:
die Demontage der Altleuchten einschließlich der erforderlichen Außerbetriebnahme sowie Demontage der Stromzuführung; die erforderlichen Verkehrssicherungsmaßnahmen, Gerüst- und Montagefahrzeug; neben dem bloßen Austausch der Altleuchten auch Veränderungen am Baukörper des Leuchtenmastes in Form von Masterhöhungen, die im Einzelfall zur Sicherstellung der geforderten DIN-Ausleuchtung erforderlich werden; die Montage der neuen LED-Leuchten einschließlich Neuverlegung der Stromzuführungen innerhalb der Lichtenmasten unter Berücksichtigung der Kabelübergangsästen sowie die anschließende Inbetriebnahme.
Dieses Leistungsspektrum habe, so die VK Baden-Württemberg, eine nicht unerhebliche technische und gestalterische Veränderung am Baukörper der Straßenbeleuchtungsanlagen zur Folge. Trotz eines geringeren Anteils dieser Bauleistungen im Verhältnis zum Lieferwert der LED-Leuchten seien diese im Ergebnis nicht als Nebenleistungen einzustufen. Den Bauleistungen komme ein die ordnungsgemäße Vertragserfüllung prägender Charakter zu. Dies gebiete, die Bauleistungen – trotz ihres geringeren Wertanteils – als Hauptgegenstand des Vertrages anzusehen.
Schlussfolgerungen für Beleuchtungsausschreibungen
Bei Ausschreibungen, die sowohl Lieferelemente aufweisen – z. B. die Lieferung von LED-Leuchten – als auch Elemente einer Bauleistung – beispielsweise für die Umrüstung auf LED-Technik erforderliche Veränderungen am Baukörper der Straßenbeleuchtungsanlagen –, kommt es für die Bestimmung des Hauptgegenstandes des Vertrages nicht allein auf die Verteilung des Auftragswertes auf die entsprechenden Leistungen an. Vielmehr spielt bei der Bestimmung des Schwerpunktes auch maßgeblich der den Vertrag prägende Charakter eine Rolle. Kommt insbesondere ein Einsatz der LED-Leuchten nicht ohne umfangreichen Umbau der vorhandenen Leuchtenmasten bzw. eine teilweise Neuherstellung geeigneter Masten in Frage, liegt der Schwerpunkt – trotz möglicherweise umgekehrter Verteilung der Wertigkeiten – im Bauleistungsbereich. In der Folge ist nicht nur der deutlich höhere EU-Schwellenwert für Bauleistungen maßgeblich, sondern auch eine Ausschreibung nach den Vorgaben der VOB/A vorzunehmen.
Fazit
Die in diesem Beitrag dargestellten Entscheidungen zur Abgrenzung der Auftragsarten bei Beleuchtungsausschreibungen zeigen deutlich, dass in jedem Einzelfall eine sorgsame Einordnung der vom Auftrag umfassten Einzelleistungen sowie eine anschließende Bewertung dieser Leistungen in Hinblick auf ihre (nicht bloß monetäre) Wertigkeit erfolgen muss.
Haben Sie Fragen im Zusammenhang mit der Vergabe von Straßenbeleuchtungsverträgen? Wir beraten Sie gerne! Außerdem legen wir Ihnen insoweit die aktuelle Ausgabe des VergabeFokus ans Herz.